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Wanda-Lanzer-Hof

Fakten

Wanda-Lanzer-Hof

Speisinger Straße 84-98, 1130 Wien

Baujahr: 1928-1929

Wohnungen: 101

Architekt: Viktor Reiter

Weitere Adressen

Neukommweg 2, 1130 Wien

Neukommweg 1b, 1130 Wien

Neukommweg 2a, 1130 Wien

Neukommweg 1, 1130 Wien

Neukommweg 2b, 1130 Wien

Neukommweg 1a, 1130 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Die Wohnanlage schließt mehrere brach liegende Bauplätze im Anschluss an die einige Jahre zuvor errichtete Siedlung "Lainz-Speising" und "Hermeswiese" ein, als deren städtebaulicher Endpunkt zur Speisinger Straße sie geplant und errichtet worden ist. Beim Bau der Anlage musste Rücksicht auf den Verlauf des Lainzerbachs genommen werden, der eingewölbt in einer Tiefe von ca. 5 Metern unter der Trabertgasse fließt und in die Speisinger Straße mündet. Gelöst wurde das Problem, indem an der Stelle des Bachlaufs eine breite Durchfahrt angelegt wurde. Ursprünglich befand sich in einem ebenerdigen Anbau, der die Anlage an der Ecke Speisinger Straße/Hochmaisgasse abschloss, das Kaffeehaus "Speising". In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs wurde der Gemeindebau bei einem Fliegerangriff durch einen Bombentreffer an dieser Stelle beschädigt. Beim Wiederaufbau wurde der zerstörte Anbau des Kaffeehauses nicht wieder aufgebaut. Um die Wohnungsnot nach dem Krieg zu lindern, wurden 1951 in Teilen der Anlage nachträglich Dachgeschoßwohnungen eingebaut, die das ursprüngliche Aussehen leicht veränderten.

Die Architektur

Das Kernstück der Wohnanlage bildet der lang gestreckte zweigeschoßige Straßentrakt an der Speisinger Straße, dessen mittlere Partie durch einen viergeschoßig überhöhten Bauteil betont wird. Der höhere Mittelteil bildet mit seiner breiten Durchfahrt zur Trabertgasse den markanten Zugang zur Siedlung "Lainz-Speising" bzw. "Hermeswiese" und liegt dabei in einer Achse mit der Kapelle des Orthopädischen Spitals jenseits der Speisinger Straße. Straßenseitig wird der Mittelteil durch die wellenförmig geschwungene Wand der Loggienbrüstungen, die von den niedrigeren Bauteilen zum höheren überleitet, in seiner Bedeutung besonders akzentuiert. Das Motiv der geschwungenen Loggienbrüstung gliedert auch die anschließenden, lang gestreckten Fronten. Am stadteinwärts gelegenen Ende ist dem Straßentrakt ein etwas zurückgesetzter viergeschoßiger, flach gedeckter "Wohnturm" angefügt. In der Trabertgasse schließen zwei Wohntrakte mit zwei Geschoßen an den Straßentrakt an und bilden einen kleinen. Zwei Gruppen von drei und sechs Siedlungshäusern schließen sich daran an. Die maßvolle Höhe und Gestaltung der Wohntrakte und Siedlungshäuser leitet harmonisch zu den Häusern der eigentlichen Siedlung über. Architektonisch bemerkenswert sind turmartigen Stiegenhäuser, die sich von den giebelständigen Bauteilen stark abheben. Der Einsatz von Klinkerstein bildet ein wesentliches Gestaltungselement, das im bewussten Kontrast zu den weiß verputzten Hauswänden steht.

Die Einbindung der Anlage in einen größeren städtebaulichen Zusammenhang und die architektonische Gestaltung machen die Anlage zu einem der interessantesten Beispiele kommunalen Bauens in der Zwischenkriegszeit.

Der Name

Ab 1894 erinnert die Speisinger Straße an die alte Ortschaft Speising, die 1355 erstmals urkundlich erwähnt und 1890/92 in den 13. Bezirk eingemeindet wurde. Vorher hieß der Straßenzug Hauptstraße und Wiener Straße.
2018 wurde der Hof nach seiner Namensgeberin Wanda Lanzer umbenannt. Die Journalistin und Herausgeberin wurde 1896 als, Wanda Janina Landau, Tochter polnischer EmigrantInnen, in Wien geboren. Ihr Stiefvater war der sozialdemokratische Politiker Otto Bauer. Bereits während ihres Studiums der Staatswissenschaften engagierte sie sich in der Erwachsenenbildung und war Mitgründerin einer Vorläuferinstitution des "Abendgymnasiums für Berufstätige". 1934 verlor sie aus politischen Gründen ihre Stelle als Bibliothekarin in der Arbeiterkammer. 1938 verschwand ihr Mann, der Jurist Felix Lanzer, nach einer Hausdurchsuchung durch die Nationalsozialisten und Wanda Lanzer floh mit ihren beiden Töchtern nach Schweden. Dort arbeitete sie im Archiv des Stockholmer Stadthauses sowie als Dolmetscherin und in der Betreuung ehemaliger KZ-Insassinnen und KZ-Insassen. Sie pflegte auch Kontakt zu Emigrantinnen und Emigranten wie dem späteren Bundeskanzler Bruno Kreisky. 1964 kehrte sie nach Wien zurück und gründete das "Sozialarchiv" der Wiener Arbeiterkammer. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1980 zählte Wanda Lanzer zum Vorstand des Vereins für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung.

Architekten

Viktor Reiter - Viktor Reiter (1894-1973) studierte bei Leopold Bauer und Franz Krauß an der Akademie der bildenden Künste Wien. Für die Gemeinde Wien plante er vor allem in den 1930er-Jahren mehrere Wohnhausanlagen, wie etwa die Anlagen Rosenhügelstraße 35a in Wien 12 (1930/31), Biraghigasse 38-42 in Wien 13 (1932/33) und Speisinger Straße 84-98 in Wien 13 (1929/30).