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Rollingergasse 6-8

Fakten

Rollingergasse 6-8

Rollingergasse 6-8, 1120 Wien

Baujahr: 1988-1989

Wohnungen: 165

Architekt: Klaus Becker, Werner Höfer, Josef Paul Kleihues

Weitere Adressen

Tanbruckgasse 26, 1120 Wien

Erlgasse 37, 1120 Wien

Wohnen in Wien

Ab den 1980er-Jahren bestimmte ein neuer Stadtentwicklungsplan die Wohnhaussanierung. Der 1984 gegründete Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds und das Wohnhaussanierungsgesetz 1985 ergänzten die optimalen Voraussetzungen für eine sanfte Stadterneuerung. 36 Prozent der Sanierungsgelder flossen in Gemeindebauten, sodass die berühmtesten Gemeindebauten aus der Zwischenkriegszeit saniert werden konnten, wie z. B. der Karl-Marx-Hof, der George-Washington-Hof oder der Rabenhof. Für Neubauten wurde durch Wettbewerbe eine qualitativ hochwertige und individuelle Architektur sichergestellt, wie das Beispiel Hundertwasserhaus zeigt.

Geschichte

Das Gebiet westlich der Meidlinger Hauptstraße war im 18. Jahrhundert ein beliebtes Jagdrevier für Kaiser Josef I., der sich in der Gegend des Theresienbades ein kleines Jagdschloss bauen ließ. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein blieb das Areal ein unverbautes Wald- und Wiesengebiet, das erst in der zweiten Jahrhunderthälfte in projektierte Parzellen aufgeteilt wurde. Bebaut wurde das Areal in der Rollingergasse erst Anfang des 20. Jahrhunderts, allerdings war noch in der Zwischenkriegszeit ein großer Teil des heutigen Blocks zwischen Tanbruckgasse und Erlgasse freie Wiese.

Die Architektur

Die große Wohnhausanlage mit 180 Wohneinheiten ist nach Süden auf die Rollingergasse hin ausgerichtet. Fast H-förmig schließen zwei blockartige, siebengeschoßige Trakte mit rosa Farbgebung auf Seiten der Tanbruckgasse und der Erlgasse an einen langgegezogenen, von der Baulinie zurückgesetzten, sechsgeschoßigen Mitteltrakt in grauer Färbung an. Dadurch wird an der Rollingergasse ein schmaler Straßenhof ermöglicht, der als Kinderspielplatz genutzt wird. Auch an der Rückseite des Mitteltrakts wird gegengleich ein schmaler Gartenhof ausgespart. Bei dem etwas längeren Seitentrakt in der Tanbruckgasse wird durch Staffelung der Höhen zu dem anschließenden Gebäude auf dem stark abfallenden Gelände vermittelt. Die Geschoßzahl vermindert sich dadurch um zwei. Am Gebäudeende befindet sich im Erd- und ersten Obergeschoß eine längsrechteckige Aussparung mit eingestellten Pfeilern, in die der Treppenaufgang zu einem Kindergarten und darunter zwei Tore einer Tiefgarage integriert sind. An die siebenachsige rosa Fassade des Seitentraktes in der Erlgasse schließt ein konvex gebogener, um ein Geschoß erniedrigter grauer Bauteil mit zwei Fensterachsen und zwei Loggienachsen an, mit dem zu dem benachbarten Gebäude aufgeschlossen wird. Im Rücksprung zwischen diesen beiden unterschiedlichen Fassadenteilen liegt ein Seiteneingang. Die vielachsige Fassadengliederung aller Trakte ist streng rasterförmig mit gleichförmigen Fensteröffnungen und in den Baukörper eingeschnittenen Loggienachsen. Die äußeren Ecken der Seitentrakte sind als vollverglaste Loggien ausgebildet. Die drei Loggienachsen im langen Mitteltrakt sind durch halbrund vorgezogene Balkone erweitert. Das zurückgesetzte Dachgeschoß ist an den langen Fassadenteilen mit durchlaufenden Balkonen versehen. Die Eingänge zu den beiden Stiegen befinden sich in der westlichen und östlichen inneren Ecke des Straßenhofes in der Rollingergasse. Sie führen in zwei große glasüberdachte Atriumhöfe innerhalb der Seitentrakte. Diese baulichen und optischen Höhepunkte erschließen mit ihren rundum führenden Loggiengängen in den Stockwerken die Seitengebäude und führen auch in den Mitteltrakt. Das Atrium an der Erlgasse ist kubisch. Die beiden obersten Geschoße des Atriumraumes sind nicht als Loggien ausgebildet, sondern als geschlossene Wände, die nur von kleinen quadratischen Fenstern durchbrochen sind. Die Dachverglasung ist als Walmdach ausgebildet. Das Atrium im Trakt an der Tanbruckgasse ist hingegen zylindrisch und die Loggiengänge reichen bis ins Dachgeschoß. Seine Dachverglasung mit Stahlverstäbung ist von außen gut als Kegeldach mit aufgesetzter Laterne sichtbar. Diese lichtdurchfluteten Atriumsräume wurden von den Architekten als Begegnungsort der Familien konzipiert, im Sinne eines fundamentalen Sozialismus. Josef Paul Kleihues nahm hier Anleihen bei einem Hauptwerk der Sozialutopie, das Familistère (ab 1859) von Jean-Baptiste Godin (1817-88), wo die Erschließung der Wohnungen über einen verglasten Hof erfolgt.

Der Name

Die Rollingergasse ist seit 1906 (vorher: Kletzinskygasse) nach Franz Rollinger (1824-1893) benannt. Er war Buchdrucker und Buchbinder und sein Unternehmen, das um 1800 gegründet worden war, übersiedelte 1858 von der Innenstadt nach Untermeidling. Es gehörte um die Jahrhundertwende zu den bekanntesten Unternehmen Wiens.

Architekten

Klaus Becker - Klaus Becker (1942-2008) studierte bis 1969 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Als selbständiger Architekt war er vor allem als Gestalter von Geschäftslokalen und Restaurants tätig. Nach seinen Plänen erfolgte aber auch die Erweiterung der Seebühne Mörbisch (Bgld.) und der Umbau des Mozarthauses in Wien 1, Domgasse 5.

Werner Höfer - Werner Höfer wurde 1941 in Salzburg geboren. Er lebt und arbeitet in Wien. Nach seinem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Prof. Roland Rainer arbeitete er im Planungsstab von Harry Glück an mehreren Großprojekten der GESIBA in Wien mit. Nach seiner Ziviltechnikerprüfung war er selbstständig sowie auch in Arbeitsgemeinschaften tätig. Er plante unter anderem den Wohnbau in der Speckbachergasse 23 (16. Bezirk; 1983-1987), das Wohnhaus in der Blumengasse 10 (17. Bezirk; 1986), das Wohnhaus in der Albertgasse 2 (8. Bezirk; 1988), das Wohnhaus in der Klebindergasse 6-8 (11. Bezirk; 1997), das Bezirkszentrum Hernals, Elterleinplatz 9-12 (17. Bezirk; 1984-1986), und das Wohnhaus in der Koballikgasse 4-10 in Wien 23 (1999). Werner Höfer verfasste auch zahlreiche Schriften und Kunstbetrachtungen.

Josef Paul Kleihues - Der deutsche Architekt Josef Paul Kleihues (1933-2004) studierte an der Universität Stuttgart und von 1957 bis 1959 an der Technischen Universität Berlin. Bedeutung erlangte J. P. Kleihues vor allem als Planungsdirektor der Internationalen Bauausstellung 1984 in Berlin, wo er den Begriff der "Kritischen Rekonstruktion" prägte, den Wiederaufbau zerstörter Städte unter der Respektierung des historischen Stadtgrundrisses. Zu seinen prominentesten Bauwerken zählen das Museum of Contemporary Art in Chicago (1991-1996), der Umbau des Hamburger Bahnhofs in Berlin zum Museum (1989-1996) sowie der Umbau der Deichtorhallen in Hamburg (1988/89). Von 1973 bis 1994 hatte Josef Paul Kleihues zudem verschiedene Lehrstühle an der Universität Dortmund inne.