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Südtiroler Hof

Fakten

Südtiroler Hof

Schelleingasse 9-15, 1040 Wien

Baujahr: 1927-1928

Wohnungen: 179

Architekt: Josef Hahn, Karl Ernst

Weitere Adressen

Wiedner Gürtel 38-40, 1040 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Mit ursprünglich 187 Wohnungen ist der "Südtiroler Hof" die größte Wohnhausanlage der Zwischenkriegszeit an der Wieden. Sie liegt an der Grenze des 4. Gemeindebezirks und wurde in einer stark abfallenden, unregelmäßigen Baulücke zwischen dem Wiedner Gürtel und der Schelleingasse errichtet. Die Lückenverbauung hatte den Vorteil, dass keine neuen Straßen, Kanal-, Gas-, Wasser- und Stromleitungen angelegt werden mussten wie bei den Wohnhausanlagen in Neubauvierteln.

Die Architektur

Die Wohnhausanlage zählt zu den Sonderfällen unter den Gemeindebauten. Es handelt sich dabei um eine Baulückenschließung mit hinteren Hoftrakten, was bei Anlagen dieser Größe zum damaligen Zeitpunkt selten war. Die asymmetrische Parzelle sowie der abschüssige Baugrund bedingen die unterschiedliche Anordnung der einzelnen Bauteile. An den Straßen schließen Wohnblöcke die Baulücke, dazwischen liegen der Hof und die Hoftrakte. Der an der Schelleingasse gelegene Bauteil wird durch das Vor- und Zurückspringen des Baukörpers belebt. In den vorspringenden Blöcken befinden sich die Stiegenhäuser. Am Wiedner Gürtel hingegen folgt der Wohnblock der vorgegebenen Baulinie. Durch Detailformen wie vier spitz hervortretende Erker, die mittig angeordneten Balkone sowie die seitlichen Loggien wird die Fassade regelmäßig gegliedert. Das Hoftor am Wiedner Gürtel wird an den Seiten von Klinkerbändern umrahmt und von einem mächtigen Gebälk abgeschlossen. Der Niveauunterschied zwischen Gürtel und Schelleingasse wird im Hof durch eine Terrasse und Freitreppen überbrückt. Sie bilden ein Gegengewicht zum flachen Bau des Kindergartens, der sich im unteren Bereich des Hofes befindet. Die zentrale Brunnenanlage auf der Terrasse, eine Säule mit bekrönender Blüte, wird von Pergolen eingefasst, wodurch der Hof einen intimen Charakter erhält.

... und die Kunst

Das schmiedeeiserne Hofgitter und die Gittergeländer der Pergola im Garten weisen markante, abstrakt-geometrische Muster auf. Die Brunnenanlage im Hof erinnert an die Formensprache der späten "Wiener Werkstätte".

Der Name

Nicht nur der seit 1927 so genannte Südtiroler Platz, auch der Gemeindebau erinnert an den Verlust Südtirols nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die noch aus der Bauzeit stammende Inschrift am Hoftor erklärt: "Südtirol musste im Frieden von Saint Germain 1919 an Italien abgetreten werden."

Architekten

Josef Hahn - Der aus Mähren stammende Josef Hahn (1884-1943) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Für die Gemeinde Wien entwarf er den Südtiroler Hof in Wien 4 (mit Karl Ernst, 1927/28) und die Wohnhäuser Engerthstraße 230 in Wien 2 (1930/31) und Laxenburgerstraße 92 in Wien 10 (1931/32). Außerdem wurden in Budweis (Tschechien) kurz vor 1930 mehrere Villen nach seinen Plänen ausgeführt. 1941 musste er aufgrund seiner jüdischen Abstammung nach Shanghai emigrieren, wo er kurze Zeit später verstarb.

Karl Ernst - Karl Ernst (geb. 1887, Sterbedatum unbekannt) studierte von 1906 bis 1912 an der Technischen Hochschule Wien. Es sind zwei Bauwerke von ihm bekannt, die er für die Gemeinde Wien errichtete: der Südtirolerhof (Wien 4, Wiedner Gürtel 38-40; gemeinsam mit Josef Hahn) aus den Jahren 1927/28 und der kurz darauf entstandene Anton-Katschinka-Hof (Wien 5, Siebenbrunnenfeldgasse 8-10). 1940 emigrierte Ernst nach Jugoslawien, wo sich seine Spuren verlieren.