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Am Wienerberg

Fakten

Am Wienerberg

Wienerbergstraße 16-20, 1120 Wien

Baujahr: 1926-1927

Wohnungen: 779

Architekt: Karl Dorfmeister, Rudolf Frass, Paul Gütl, Camillo Fritz Discher, Rudolf Perco

Weitere Adressen

Cothmannstraße 1, 1120 Wien

Unter-Meidlinger Straße 85-89, 1120 Wien

Pirkebnerstraße 2-4, 1120 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Ein von Anton Ziegler 1847 entworfener Plan der Ortschaften Unter- und Ober-Meidling weist den leicht ansteigenden Baugrund als unbebautes Ackerland aus. In Plänen der 1890er-Jahre sind auf dem Areal bereits projektierte Baulinien und Straßenzüge eingetragen. Bezirkspläne nach 1900 zeigen auf dem Grundstück eine rechteckige und eine trapezförmige Parzelle, getrennt durch eine unbenannte Straße. Letztere lag im Bereich des Straßenhofes zwischen dem älteren und dem jüngeren Bauteil der heutigen Anlage und kam offensichtlich nicht zur Ausführung. Auf der Westparzelle wurde nach 1910 ein längsrechteckiges Gebäude errichtet, das im Zuge der Neuplanung ab 1926 weichen musste. In die Planungen einbezogen wurde die Einrichtung einer städtischen Feuerwache Ecke Pirkebnerstraße/Unter-Meidlinger-Straße, wo sich heute ein Materiallager der MA 70 der Stadt Wien befindet.

Die Architektur

Die Gesamtanlage ist in zwei Bauabschnitte unterteilt, die in etwa der früheren Parzellierung folgen. Der ältere Bauabschnitt wurde auf dem trapezförmigen Grundstück ausgeführt. Er besteht aus einer ebenfalls trapezförmigen Vier-Flügel-Anlage, die im Süden mit einem vorgelagerten Rechteckhof an die Wienerbergstraße anschließt, im Norden mit einem Verbindungsflügel an die Gebäudelinie an der Wienerbergstraße. Dadurch werden an den Ecken zur Pirkebnerstraße kleine Höfe ausgebildet. Am südlichen Eckhof grenzt ein ebenerdiges Geschäftlokal an die Wienerbergstraße.

Wehrhafte Fenstergitter im Erdgeschoß betonen die Fassade an der Wienerbergstraße. Durch Rundbögen betritt man den Vorhof: Hier wird der Blick sofort auf den breiten Risaliten des Mittelflügels gelenkt, in den ein zweigeschoßiger Kinderhort integriert ist. Das Untergeschoß springt als terrassierte Altane mit Balkon vor. Auf beiden Seiten des Hortes führen Durchgänge in den großen Innenhof. Kubische Höhen- und Tiefenstaffelungen mit eingehängten Eisenbalkonen gliedern die Außenfassaden der trapezförmigen Anlage. Vor allem die Ecklösungen bilden einen markanten Blickfang. In den Ecken des Trapezhofes erinnern konvex vorgewölbte Stiegenhäuser entfernt an die Treppentürme vierflügeliger Schlossanlagen.

Im Westen schließt der jüngere Bauteil der Gesamtanlage an, der durch einen Straßenhof mit dem älteren verzahnt wird. Die Außenfassaden sind romantisierend durch einige mächtige Dreiecksgiebel und langgezogene polygonale Erker gegliedert. Die Fensterzonen wurden mit braunem Klinkerziegel verblendet, ansonsten sind die Fassaden in reinem Weiß gehalten. Interessant ist die Portallösung mit auffälligen lünettenförmigen Öffnungen zur Cothmanstraße hin. Die begrünte Hofanlage wirkt durch ihren hohen Verbauungsgrad etwas beengt. In der Mitte stehen sich zwei Flügelanlagen gegenüber, die an die nördlichen bzw. südlichen Randverbauungen rechtwinkelig anschließen. Sie teilen den Hof in einen westlichen Straßenhof und einen schmalen terrassierten Hof. Straßenhof bilden repräsentative Einfahrten an der Wienerbergstraße und der Unter-Meidlinger-Straße eine Achse.

... und die Kunst

Vor dem Kinderhort Richtung Wienerbergstraße stehen zwei steinerne Putti von Wilhelm Hejda. Einer der beiden hält eine Gans, der andere spielt mit einem Bärenjungen.

Der Name

Der Hof erhielt seine Bezeichnung nach dem Wienerberg, einem Höhenzug im Südwesten des 10. Bezirks, der seinen Namen schon seit dem 13. Jahrhundert trägt.

Architekten

Karl Dorfmeister - Karl Dorfmeister (1876-1955) schloss 1903 sein Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Otto Wagner mit dem begehrten Rompreis ab. Bautätigkeiten sind erst ab der Zwischenkriegszeit bekannt. Dorfmeister realisierte drei Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien, zwei davon gemeinsam mit Rudolf Frass und Rudolf Perco.

Rudolf Frass - Rudolf Frass (1880-1934) studierte von 1900 bis 1904 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Otto Wagner. 1906 eröffnete er in Wien ein eigenes Büro. Im Zuge seiner umfangreichen Bautätigkeit realisierte Frass gemeinsam mit anderen Architektenkollegen drei Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien.

Paul Gütl - Paul Gütl (1875-1944) studierte bis 1902 an der Akademie der bildenden Künste unter anderem bei Otto Wagner. Eines seiner ersten Werke ist das Rathaus in Spital am Semmering (1906/07). Ab 1925 errichtete er, zunächst zusammen mit Camillo Discher, mehrere Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien. Diese gemeinsamen Arbeiten zeigen noch romantisierende, expressionistische Formen, während Gütl später einen zunehmend sachlichen Stil entwickelte.

Camillo Fritz Discher - Camillo Fritz Discher (1884-1976) absolvierte nach dem Besuch der Staatsgewerbeschule die Meisterklasse bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Ab 1925 errichtete er - zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen Wagner-Schülern - Wohnhausanlagen für die Stadt Wien, unter anderem die Wohnhausanlage "Indianerhof" in der Aichholzgasse 52-54 in Wien 12 und jene in der Wienerbergstraße 16-20 in Wien 10.

Rudolf Perco - Rudolf Perco (1884-1942) war bereits in verschiedenen Architekturbüros tätig, bevor er von 1906 bis 1910 an der Akademie der bildenden Künste Wien studierte und die Meisterschule von Otto Wagner besuchte. Schon früh konnte er einige repräsentative Wohn- und Geschäftshäuser, wie etwa den Fürstenhof (Praterstraße 25, Wien 2; 1913) realisieren. Aufgrund der schlechten Auftragslage nach dem Ersten Weltkrieg, begann er ein Jurastudium, das er 1924 abschloss. Erst im Zuge des Wohnbauprogramms der Gemeinde Wien konnte er wieder große Projekte wie die Wohnhausanlage Am Engelsplatz (Wien 2, 1929-1933) realisieren.