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Johann-Hatzl-Hof

Fakten

Johann-Hatzl-Hof

Simmeringer Hauptstraße 34-40, 1110 Wien

Baujahr: 1982-1985

Wohnungen: 423

Architekt: Gerd Neversal, Norbert Kotz, Ernst Ströher, Emma Berg, Josef Kohlseisen, Peter Gebhart

Wohnen in Wien

Ab den 1980er-Jahren bestimmte ein neuer Stadtentwicklungsplan die Wohnhaussanierung. Der 1984 gegründete Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds und das Wohnhaussanierungsgesetz 1985 ergänzten die optimalen Voraussetzungen für eine sanfte Stadterneuerung. 36 Prozent der Sanierungsgelder flossen in Gemeindebauten, sodass die berühmtesten Gemeindebauten aus der Zwischenkriegszeit saniert werden konnten, wie z. B. der Karl-Marx-Hof, der George-Washington-Hof oder der Rabenhof. Für Neubauten wurde durch Wettbewerbe eine qualitativ hochwertige und individuelle Architektur sichergestellt, wie das Beispiel Hundertwasserhaus zeigt.

Geschichte

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Simmering ein kleines, von Feldern und Gärten umgebenes Dorf. Erst zu Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte es sich durch den Zuzug großer Unternehmen, denen es im Stadtgebiet zu eng wurde, zu einem Industrie- und Arbeitervorort. Bereits um 1850 ließ Heinrich Daniel Schmid, der bereits Werke auf der Landstraße und in der Leopoldstadt besaß, auf dem Gelände der Wohnhausanlage eine neue Fabrik errichten, in der 1852 Personenwagen und später auch Lokomotiven und verschiedenste Spezialwaggons erzeugt wurden. 1900 rollten bereits 40.000 Waggons aus Simmering auf nahezu allen Bahnlinien Europas. 1903 wurde zusätzlich das "obere Werk" an der Leberstraße gebaut. Dem Erwerb der Grazer Waggon- und Maschinenfabriks AG 1934 folgte 1941 die Vereinigung mit dem Pauker-Werk in Floridsdorf: Die SGP (Simmering-Graz-Pauker Aktiengesellschaft) war geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Werk verstaatlicht. In den 1960er- bis in die 1980er-Jahre gab es einen rasanten Aufstieg, unter anderem wurde für die Wiener U-Bahn der "Silberpfeil" entwickelt. Mit dem Ausbau des "oberen Werks" wurde 1977 das alte Werk an der Simmeringer Hauptstraße aufgelassen und an seiner Stelle die Wohnhausanlage errichtet. Anfang der 1990er-Jahre verkaufte die Republik ihre Anteile an die Siemens AG.

Die Architektur

Die 16 Stiegen umfassende Wohnhausanlage umschließt auf dem ansteigenden Gelände zwischen Simmeringer Hauptstraße und der Straße Am Kanal fünf Innenhöfe. Das Erdgeschoß der langen Front zur Simmeringer Hauptstraße ist durchgehend als Geschäftszone ausgebildet und mitsamt dem ersten Obergeschoß, das von dem dunkelbraun gerahmten Fensterband und der helleren Blechverkleidung geprägt wird, weit vorgezogen. An den drei Durchgängen zu den straßenseitig gelegenen Höfen schwingt die Geschäftszone konkav ein, zudem sind hier polygonale Stützen in das ausgebrochene Erdgeschoß eingestellt, die den an sich massiven Bau zur Straße öffnen. Die Front der zurückversetzten Obergeschoße ist mit hellen Alu-Platten verkleidet. Die Fensterbänder sind wie die Stiegenhaustürme dunkelgrün eingefasst. Die Attika-Verblechung ist hingegen in einem helleren Grün gehalten. Die massiven Stiegenhaustürme erscheinen durch die seitlich von ihnen vorgezogenen Risalite deutlich zurückversetzt. Zusammen mit den niedrigeren, geschlossenen Zwischenbauteilen bilden sie eine rhythmisch bewegte Silhouette. Auch die Front wird durch die zahlreichen Vor- und Rücksprünge sowie die horizontale Dominanz der braunen und grünen Fensterbänder in rhythmische Bewegung versetzt. Dezente, vertikale Akzente setzen nur die Stiegenhausachsen. Die ebenfalls hell verkleideten Hoffronten werden durch zum Teil vor die Fassadenflucht gezogene Loggien aufgebrochen. Die großzügig zu den beiden rückwärts liegenden Höfen ausgeschnittenen Durchgänge ermöglichen es, das ansteigende Gelände der an sich getrennten Höfe als fließendes Raumkontinuum wahrzunehmen.

... und die Kunst

In einem der Innenhöfe steht die Metallplastik "Ohne Titel" des bedeutenden österreichischen Künstlers Karl Anton Wolf (1908-1989). Mit ihren Gelenk- und Dübelelementen lässt sie an mechanische Abläufe denken - eine Referenz an die hier früher bestehende Waggonfabrik.

Der Name

Der Hof ist nach dem Politiker Johann Hatzl (1942-2011) benannt. Er war 32 Jahre lang (1975-2007) Bezirksobmann der SPÖ Simmering, daneben in rascher Folge Bezirksrat, Gemeinderat und Nationalratsabgeordneter. Ab 1979 bekleidete Hatzl zahlreiche Funktionen in der Wiener Stadtregierung, unter anderem als Wohnbaustadtrat, Amtsführender Stadtrat für Energie und Verkehr, später für Bürgerdienst, Inneres, Personal und schließlich auch für die Stadtwerke. 1996 schied er aus der Stadtregierung aus und wurde Vorsitzender der SPÖ-Fraktion. 2001 bis 2008 war Hatzl Präsident des Wiener Landtags.

Architekten

Gerd Neversal - Gerd Neversal (geb. 1940) studierte an der Technischen Universität Wien und an der Akademie der bildenden Künste. Er arbeitete zunächst in den Architekturbüros von Herbert Müller-Hartburg und Anton Schweighofer mit. Seit 1972 ist er als selbständiger Architekt tätig. Zu seinen wichtigsten Bauwerken zählen die Terrassensiedlung Breitenfurter Straße in Wien 23 und das Druckereigebäude Elbemühle. Für die Gemeinde Wien entwarf er den Leopold-Thaller-Hof in Wien 3 und die Wohnhausanlage Simmeringer Hauptstraße 34-40 in Wien 11 (mit Norbert Kotz). Außerdem ist er als Konzertveranstalter für junge Musik im Wiener Musikverein und im Konzerthaus tätig.

Norbert Kotz - Norbert Kotz (geb. 1932) studierte von 1950 bis 1955 an der Technischen Hochschule Wien. Danach war er ein Jahr im Büro von Erich Boltenstern und in einem Industriebaubüro in St. Gallen tätig, bevor er ins Architekturbüro Pfeifer in Schruns (Vbg.) wechselte, wo er auch Büroleiter war. In Dornbirn (Vbg.) wurden unter anderem die Kirchen Bruder Klaus (1962-1965) und St. Christoph (1960-1964, in Arbeitsgemeinschaft) nach seinen Plänen errichtet. Anfang der 1960er-Jahre kehrte er nach Wien zurück. Hier arbeitete er vorübergehend mit Johannes Peter zusammen, mit ihm konnte Norbert Kotz etwa das BRG Steyr (OÖ) und das Bundesverwaltungsgebäude Wels (OÖ) realisieren. Sein bedeutendstes Bauwerk ist aber wohl der Neubau der Reichsbrücke (1977), die er 2005 auch verbreiterte. 2005 wurde ihm der Professor-Titel verliehen.

Ernst Ströher - Ernst Ströher (1927-1998) studierte von 1946 bis 1952 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Unter anderem war er an den Entwürfen zur Wohnhausanlage Simmeringer Hauptstraße 34-40 in Wien 11 (1982-1985) beteiligt.

Emma Berg - Emma Berg (geb. 1929) studierte von 1947 bis 1954 an der Technischen Hochschule Wien unter anderem bei Erich Boltenstern und Friedrich Lehmann. Als selbständige Architektin entwarf sie vor allem Einfamilienhäuser. 30 Jahre lang war Berg Bausachverständige der Gemeinde Leopoldsdorf bei Wien, wo sie auch für die Ortsplanung zuständig war. Für die Gemeinde Wien beteiligte sie sich am Entwurf der Wohnhausanlage Simmeringer Hauptstraße 34-40 in Wien 11 (1982-1985).

Josef Kohlseisen - Josef Kohlseisen (geb. 1938) studierte Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien. Für die Gemeinde Wien war er unter anderem an der Planung zur Wohnhausanlage Simmeringer Hauptstraße 34-40 in Wien 11 (1982-1985) beteiligt. Unter der Leitung von Josef Kohlseisen erfolgte 1982 bis 1984 die Generalsanierung des 1909 erbauten Post- und Telegrafenamtes in Wien 4, Taubstummengasse 7-9.

Peter Gebhart - Peter Gebhart (geb. 1939 in Wien) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Als freischaffender Architekt beschäftigt er sich vor allem mit der Revitalisierung öffentlicher Gebäude und ist im Wohnbau tätig. Zu den von Peter Gebhart sanierten und umgebauten Objekten zählen das Gymnasium Rosasgasse in Wien 12 und die Kuffner Sternwarte in Wien 16. Die kommunalen Wohnhausanlagen Simmeringer Hauptstraße 34-40 im Wien 11 (1982-1985) und Breitenfurter Straße 401-413 in Wien 23 (1984-1987) plante er in Arbeitsgemeinschaften.