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Wildganshof

Fakten

Wildganshof

Grasbergergasse 4, 1030 Wien

Baujahr: 1931-1932

Wohnungen: 735

Architekt: Victor Mittag, Karl Hauschka

Weitere Adressen

Wildgansplatz 1, 1030 Wien

Leberstraße 2, 1030 Wien

Leberstraße 2a, 1030 Wien

Landstraßer Hauptstraße 177-187, 1030 Wien

Hofmannsthalgasse 1, 1030 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Der Wildganshof gilt als letztes realisiertes Großprojekt der ersten Republik. Er wurde am Gelände des ehemaligen Linienwalls errichtet, einer entlang des heutigen Gürtels verlaufenden Wehranlage. In den Februarkämpfen von 1934 war die Anlage eine der "Roten Bastionen", die von den Schutzbündlern bis zuletzt gehalten werden konnte. Am 14. Februar musste sich aber auch der Wildganshof dem anrückenden Bundesheer ergeben.

Die Architektur

Die vier- bis sechsgeschoßigen Blöcke bilden nach außen hin eine geschlossene, mächtige Front. Nur an zwei diagonal gegenüberliegenden Punkten ist sie aufgebrochen, hier sollte ursprünglich eine Bahntrasse durch die Anlage führen. Gruppiert sind die Trakte in zwei kleine, quadratische Höfe und einen langgestreckten Hof, von denen mehrere freistehende Blöcke abzweigen, welche die einzelnen Höfe zu einem großen Hof zusammenfassen. Durch die offene Schneise und das ansteigenden Gelände, das eine Höhenstufung der Bauten zur Folge hat, wirkt die Anlage im Inneren sehr offen und frei. Die einzelnen Blöcke sind betont schlicht gestaltet. Sie werden vor allem durch die turmartig angefügten Stiegenhäuser rhythmisiert, die mittels Gesimsbänder an den Bau gebunden sind. Lange Trakte werden durch Einbuchtungen in einzelne Blöcke aufgegliedert. Balkone dienen zur Verbindung von Bauabschnitten und zur Rhythmisierung langer Fassaden. Je nach Anordnung gliedern sie die Masse horizontal oder vertikal. Vereinzelt sind die Durchgänge und Erdgeschoßzonen mit dunklerem Verputz versehen und sorgen so für zusätzliche Variationen an den 48 Stiegen.

... und die Kunst

Im Hof befindet sich ein von Adolf Riedel entworfenes Denkmal. Es handelt sich dabei um eine weiße Büste von Anton Wildgans, die vor eine graue Betonplatte gestellt ist. Mit einer kleinen Treppenanlage ist diese inmitten einer großen Grünfläche dramatisch in Szene gesetzt. In den letzten Kriegstagen wurde das Denkmal stark beschädigt und musste nach 1945 neu errichtet werden. An der Fassade zum Landstraßer Gürtel ist ein ebenfalls von Riedel geschaffenes Reliefbild mit einem pflügenden Bauern angebracht. Die ursprüngliche Inschrift "Wir reden nicht, sondern handeln" ist heute nicht mehr vorhanden.

Der Name

Die Wohnhausanlage ist nach dem Schriftsteller Anton Wildgans (1881-1932) benannt. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften war er zunächst als Untersuchungsrichter tätig. Erst später verschrieb er sich ganz der Schriftstellerei. Bekannt ist er vor allem für seine sozialkritischen Theaterstücke. In den Jahren 1921/22 und 1930/31 war er Direktor des Wiener Burgtheaters.

Prominente Bewohner

Ludwig Vesely (1919-1944) wurde bereits 1939 augrund seiner kommunistischen Tätigkeit zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. 1942 wurde er ins KZ Auschwitz überstellt, wo er 1944 erhängt wurde, da er Mithäftlingen zur Flucht verhalf. Eine Gedenktafel an der Stiege 18 erinnert an seine Wohnadresse im Wildganshof.
Franz Schuster (1904-1943) wurde ebenfalls aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt. Er kam 1943 im KZ Buchenwald ums Leben. Die Wohnhausanlage Hagenmüllergasse 14-16 trägt seinen Namen.
Auch Antonia Bruha (1915-2006) wohnte im Wildganshof. Sie war Mitglied einer tschechischen Widerstandsgruppe und beteiligte sich an Sabotageaktionen gegen Wehrmachtseinrichtungen. 1941 wurde sie verhaftet und ins KZ Ravensbrück überstellt, von wo sie kurz vor der Befreiung während eines Todesmarsches fliehen konnte. Ihre Geschichte schrieb sie in dem 1984 erschienenen Buch "Ich war keine Heldin" nieder.

Architekten

Victor Mittag - Viktor Mittag (1896-1962) studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule bei Heinrich Tessenow und Josef Hoffmann und später an der Akademie der bildenden Künste. Gemeinsam mit Karl Hauschka errichtete er eine Reihe von Wohnhausanlagen des Roten Wien. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden neben mehreren Wohnbauten in Wien auch Wohnhäuser in Eisenstadt nach seinen Plänen.

Karl Hauschka - Karl Hauschka (1896-1981) studierte Architektur an der Akademie der bildenden Küste Wien bei Peter Behrens. Bei diversen Architekturwettbewerben gewann er mehrere Preise, jedoch sind kaum realisierte Werke bekannt. In den 1920er- und 1930er-Jahren entwarf er in Arbeitsgemeinschaft mit Viktor Mittag eine Reihe von Wohnhausanlagen des Roten Wien, darunter auch den Wildganshof in Wien 3, sowie in den 1960er-Jahren den Harry-S.-Truman-Hof in Wien 23 in Zusammenarbeit mit den Architekten Wenko Bossew, Otmar Brunner, Maria Albrecht, August Kastner, Karl Molnar und Rudolf Sorgo.