Mobile Version aus nicht mehr nachfragen

Mautner-Markhof-Gasse 10

Fakten

Mautner-Markhof-Gasse 10

Mautner-Markhof-Gasse 10, 1110 Wien

Baujahr: 1964-1966

Wohnungen: 641

Architekt: Otto Nadel, Rudolf Wawrik, Elisabeth Gass, Hans Gass, Karl Peroutka

Weitere Adressen

Kopalgasse 4-28, 1110 Wien

Rinnböckstraße 69, 1110 Wien

Kopalgasse 44-46, 1110 Wien

Wohnen in Wien

In den 1960er-Jahren nahm der Wohnbau in Wien bis hin zum Wohnungsbauboom der 1970er-Jahre kontinuierlich zu. Die Grundlage dafür bildeten 1961 ein städtebauliches Konzept und ein Generalverkehrsplan von Roland Rainer. Der geplante U-Bahn-Bau sowie die Erschließung bisheriger Randgebiete nördlich der Donau förderten diese Entwicklung. Besonders am südlichen und östlichen Stadtrand gab es Grundstücke zu günstigen Preisen, auf denen neue große Wohnviertel geschaffen wurden. Die neue Fertigteilbauweise mit vorgefertigten Betonelementen erlaubte es, in kurzer Zeit ganze Stadtteile neu zu errichten.

Geschichte

Der älteste Siedlungskern von Simmering liegt im Bereich der heutigen Kobelgasse nordwestlich des Kirchberges der Laurenzkirche. Von dort entwickelte sich die Ansiedlung zu einem kleinen, 1028 erstmals urkundlich genannten Ort entlang der heutigen Mautner-Markhof-Gasse (ursprünglich Dorfgasse), wo sich in der Nähe des späteren Brauhauses bereits 1136 nachweislich ein Herrschaftshaus befand. Noch heute zeugt hier die geschlossene ebenerdige Verbauung vom einstigen dörflichen Charakter. Nach der Verwüstung durch die Türken 1683 begann sich das Siedlungsgebiet vom "Unteren Dorf" über die heutige Kopal- und Hauffgasse bis zum Geiselberg auszudehnen. Ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Simmering durch die Ansiedlung großer Unternehmen zu einem Industrie- und Arbeiterbezirk.

Die Althäuser an der Mautner-Markhof-Gasse 10 bis 20 wurden für den Bau der Wohnhausanlage abgerissen. An der Kopalgasse bestanden hingegen nur Lagergebäude.

Die Architektur

Der Hauptzugang erfolgt durch einen schlichten, mit großzügigen Loggien versehenen Bau, der in die geschlossene Straßenverbauung der Mautner-Markhof-Gasse eingefügt ist. Rechts und links vom offenen Durchgang befindet sich je ein Geschäftslokal. Das Gebäude umfasst, wie der in den Straßenverbund der Kopalgasse eingesetzte Bau, fünf Hauptgeschoße. Das Erdgeschoß ist hier allerdings durchgehend als Geschäftszone ausgebildet. Auf dem offenen, sich bis zur Rinnböckstraße erstreckenden Gelände hinter diesen Bauten, befinden sich insgesamt 14 in Zeilenbauweise angeordnete Wohnbauten, die je vier bzw. acht Geschoße umfassen. Da zwar fast alle Häuser an einer Achse ausgerichtet, jedoch nicht rasterförmig angeordnet, sondern zueinander versetzt sind, erscheint die Anlage der Häuser bemerkenswert offen und willkürlich. Die schlichten Riegelbauten werden durch Loggienachsen aufgebrochen, die zum Teil als Balkone vor die Fassadenflucht gezogen sind. Die Eingänge sind mit markanten Vordächern versehen, über denen die leicht hinter die Fassadenfront zurückversetzten Stiegenhausachsen eingeschnitten sind, die großzügig mit vertikal strukturierten Industriefenstern verglast sind. Städtebaulich markant ragt der acht Hauptgeschoße umfassende Block entlang der Kopalgasse empor. Er sticht nicht nur durch seine Höhe hervor, sondern auch durch seine sich über fünf Stiegenhäuser erstreckende Länge, womit er wie ein Schutzschild die Anlage zur Kopalgasse abgrenzt. Die Stiegenhäuser werden durch kleine Aufbauten für die Aufzüge überhöht, die Fassadenfelder durch Achsen unterschiedlich großer Fenster strukturiert. Auch die Rückseite dieses Bauteiles wird durch Loggienblöcke großzügig aufgebrochen.

... und die Kunst

Inmitten der Hofanlage steht dicht umwachsen die Skulptur "Plastikenzaun" (1967) des Künstlers Kurt Goebel.

An der Hutterergasse befindet sich das freistehende Sandsteinrelief "Türkenlager 1683". Das von Heinz Leinfellner geschaffene Werk wurde 1943 um 16.000 Reichsmark vom Wiener Magistrat für den Luftschutzbunker Wien-Währingerstraße angekauft.

Der Name

Der ursprünglich als Dorfgasse bezeichnete Straßenzug wurde 1967 nach der Industriellenfamilie Mautner Markhof benannt. Adolf Ignaz Mautner Ritter von Markhof (1801-1889) kam 1840 nach Wien und pachtete vom Bürgerspital die St. Marxer Brauerei. Erfindungen wie eine Kühlmaschine für Bier und die Entwicklung industriell gefertigter Presshefe ließen das Unternehmen schnell expandieren und in Simmering ansiedeln, wo sich noch heute der Firmensitz befindet.

Architekten

Otto Nadel - Otto Nadel (1894-1970) studierte von 1919 bis 1922 an der TH Wien. Bereits ab 1920 bis 1940 war er für das Stadtbauamt tätig. In dieser Zeit entstanden nach seinen Plänen mehrere Wohnhausanlagen und sein wohl bedeutendstes Werk, das Amalienbad in Wien 10 (zusammen mit Karl Schmalhofer). Noch nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1963 war Otto Nadel als selbständiger Architekt tätig und entwarf Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien.

Rudolf Wawrik - Rudolf Wawrik (1911-1991) studierte ab 1934 bei Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste Wien. Mehrere Wohnbauten der Gemeinde Wien wurden nach seinen Entwürfen errichtet, darunter die Wohnhausanlagen Maroltingergasse 19-25 in Wien 16 (mit Paul Schopper, 1959/60) und Zippererstraße 14 in Wien 11 (mit Hans Steineder, 1949-1954).

Elisabeth Gass - Elisabeth Gass (geb. Khuen, 1921) studierte ab 1942 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Als selbständige Architektin war sie vorwiegend mit ihrem Gatten Johannes Gass im Bereich Wohnbau tätig. Mit ihm entwarf sie unter anderem für die Gemeinde Wien die Wohnhausanlage Oberlaaer Straße 39 in Wien 10 (1958-1959) und in einer größeren Arbeitsgemeinschaft die Anlage Mautner-Markhof-Gasse 10 in Wien 11 (1964-1966).

Hans Gass - Der in Apatin/Serbien geborene Hans Gass (1921-1992) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Als selbständiger Architekt arbeitete er vor allem mit seiner Gattin Elisabeth Gass zusammen. Unter anderem war er für die Gemeinde Wien an den Plänen zu den Wohnhausanlagen Herzgasse 99-101 in Wien 10 (1953/54) und Arltgasse 2-16 in Wien 16 (1956) beteiligt.

Karl Peroutka - Der aus dem heutigen Tschechien stammende Architekt Karl Peroutka (1907-1967) ging in Wien zur Schule und besuchte dann die Gewerbeschule in Bratislava. Vor dem Zweiten Weltkrieg war er in Wien für verschiedene Unternehmen tätig, unter anderem entwarf er Filialen für den weltweiten Schuhhändler Bata. Während des Krieges arbeitete er für die Flugmotorenwerke in Wiener Neustadt. Nach 1945 eröffnete Peroutka sein eigenes Architekturbüro in Wien und Tulln. Zu seinem Arbeitsbereich gehörten vor allem Wohnhäuser. Nach seinen Plänen erfolgte auch die Erweiterung der Zuckerfabrik in Tulln.