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Eduard-Leisching-Hof

Fakten

Eduard-Leisching-Hof

Johannagasse 29-35, 1050 Wien
Josef-Schwarz-Gasse 4-14, 1050 Wien

Baujahr: 1954-1955

Wohnungen: 283

Architekt: Josef Baudys, Hans Paar, Rudolf Münch

Weitere Adressen

Gießaufgasse 32, 1050 Wien

Gießaufgasse 31, 1050 Wien

Wohnen in Wien

In den 1950er-Jahren ging es vor allem darum, Zerstörtes wieder aufzubauen und viele neue Wohnungen zu errichten. In den kommunalen Wohnbauten dieser Zeit finden sich die ersten Ansätze der sich später durchsetzenden Zeilenbauweise, die bis heute die großen Vorstadtsiedlungen prägt. Die Wohnbauten wurden größer, höher und waren verstärkt in Blockform gestaltet. Das Flachdach setzte sich durch. Alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern und WC ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.

Geschichte

Die Josef-Schwarz-Gasse, benannt 1912 nach dem Kaffeehausbesitzer und ehemaligen Bezirksvorsteher Margaretens (1897-1910) wurde 1899 als Privatweg des Bürgerspitalfonds angelegt. Ihr heutiger Verlauf ist jedoch erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts parallel mit dem Ausbau des Gürtels entstanden. Das Straßenbild ist durch Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit und durch Neubauten der 1950er-Jahre bestimmt. Die 1955 fertig gestellt Wohnhausanlage in der Josef-Schwarz-Gasse 4-14 erhielt 1959 den Namen "Eduard-Leisching-Hof" zum Gedenken an den Kunsthistoriker und Hofrat Dr. Eduard Leisching. Wie aus den Originalplänen zu entnehmen ist, wurde die riesige Anlage in zwei Bauabschnitten errichtet: Der nach Plänen der Architekten Josef Baudys, Rudolf Münch und Hans Paar in den Jahren 1954-55 errichtete Trakt erstreckt sich an der Josef-Schwarz-Gasse mit einer Durchfahrt auf Höhe der Gießaufgasse. Die Anlage umfasst die Gebäudeteile der Stiegen 1-9, die ursprünglich für 190 Wohnungen konzipiert wurden, und den 1961 erfolgten Ausbau der zweiten Anlage an der Johannagasse 29, nach Plänen Josef Baudys und Rudolf Münchs, mit damals insgesamt 7 Stiegenhäusern, 89 Kleinwohnungen und 10 Ledigenräumen.

Die Architektur

Die in zwei Bauabschnitten ausgeführte städtische Wohnhausanlage erstreckt sich auf einer lang gezogenen Bauparzelle an der Josef-Schwarz-Gasse mit 9 und einer Anlage an der Johannagasse mit 7 Stiegen. Die Gebäude überbauen die Gießaufgasse gleich zweifach, an der Josef-Schwarz-Gasse wurde die Zufahrt zu den hofseitigen Abstellplätzen sichergestellt und eine Stiegenkonstruktion an der Johannagasse überwindet den höhenbedingten Niveauunterschied. Die beiden Trakte umfassen heute 190 und 87 Wohnungen sowie bei Stiege 1 ein Büro; die Anlage an der Johannagasse nimmt ein Geschäftslokal und ein Straßenpflegerdepot auf. Die Wohnungen sind über hofseitig orientierte Treppenhäuser direkt von den Stiegenpodesten zu erschließen. An der Josef-Schwarz-Gasse sind die Gebäudeteile sechsgeschoßig (mit Ausnahme des die Gießaufgasse überspannenden Teils mit sieben Etagen) und springen teilweise hinter die Baufluchtlinie zurück, sodass insgesamt ein sehr rhythmischer Bau entstanden ist, der stark vertikal durch meist zweielementige Fensterreihen gegliedert wird. Die schlichte und sachliche Gestaltung der einfachen Putzfassade wird lediglich durch französische Fenster in ihrer Strenge etwas aufgelockert. Der die Gießaufgasse überspannende Bau wird zusätzlich durch eine überhöhte Dachgaupe akzentuiert, Satteldächer bilden den krönenden Abschluss. Die Fassaden in der Johannagasse sind etwas aufwändiger gestaltet, wenngleich sich auch hier eine eindeutig vertikale Gliederung durch abwechselnd zwei- und dreiteilige Fensterelemente zeigt. Der die Gießaufgasse überbauende Teil wird durch zwei einachsige und über fünf Geschoße reichende Seitenrisalite betont, die jeweils abschließenden, dreiachsigen Gebäudeteile verfügen zudem über durchgängige Balkonreihen im fünften Obergeschoß. Durch die Begrenzung der Anlage durch drei Straßenzüge entsteht insgesamt ein sehr differenziertes Hofensemble, das trotz der Größe der Anlage durch die liebevolle Gestaltung der einzelnen Hofräume mit Sitzgelegenheiten und Kinderspielplätzen eine wohnliche Atmosphäre zu vermitteln versteht.

... und die Kunst

Wie aus den Originalplänen zu entnehmen ist, waren für die beiden Anlagen mehrere Kunstwerke vorgesehen. Den Eingangsbereich in der Johannagasse zierten links und rechts neben der Stützkonstruktion jeweils zwei dem Heimatstil entnommene Wandbilder, die einen Mann und eine Frau mit einem Kind an der Hand abbildeten. Die Front in der Josef-Schwarz-Gasse schmückte ein Sgraffitowandbild über drei Achsen, das Menschen in der Ausübung verschiedener Tätigkeiten zeigt, darunter auch die Weltkugel in den Händen eines Mannes. Lediglich ein buntes Fliesenmosaik über der Straßendurchfahrt in der Josef-Schwarz-Gasse ist bis heute erhalten geblieben.

Der Name

Die in den Jahren 1954-55 errichtete Wohnhausanlage wurde zur Erinnerung an den Kunsthistoriker Eduard Leisching (1858-1938) benannt. Leisching erlangte als Kunstdirektor und Direktor des Museums für angewandte Kunst, dem er von 1909-1925 vorstand, Bekanntheit. Geboren als Sohn eines Kaufmanns, gründete Leisching mit dem Nationalökonomen (und späteren Bundespräsidenten) Michael Hainisch und Alexander Peez 1887 den Wiener Volksbildungsverein in Margareten, auf dessen Wirken die Entstehung der Urania und die Zentralbibliothek zurückgeht. Eduard Leisching, der eine Reihe von wissenschaftlichen Werken über Kunstgeschichte verfasste, trat auch als Förderer Fritz Wotrubas auf.

Architekten

Josef Baudys - Josef Baudys (1900-1979) studierte Architektur ab 1943 bei Alexander Popp an der Akademie der bildenden Künste Wien. Vorwiegend in Gemeinschaft mit anderen Architekten war er an der Errichtung mehrerer prominenter Wohnhäuser der 1950er-Jahre beteiligt. So entwarf er etwa mit Otto Schönthal die Wohnhausanlage Hofherrgasse 5-13 in Wien 10 (1952/53) und zusammen mit Hans Paar und Rudolf Münch den Eduard-Leisching-Hof in Wien 5 (Johannagasse 29-35, 1954/55).

Hans Paar - Hans Paar (1892-1977) praktizierte nach seinem Studium an der Technischen Hochschule in Prag im Büro Gessner in Wien, wo er unter anderem am Ferdinand-Lassalle-Hof mitarbeitete. Mit seinem Bruder Adolf Paar und seinem Partner Paul May schuf er die beiden Gemeindebauten in der Hickelgasse in Wien 14 und Fultonstraße 3-11 in Wien 21. Nach Kriegsende zeigte Paar, der selbst in der Künstlersiedlung lebte und sich während des Zweiten Weltkrieges mit der Planung von Industriebauten beschäftigte, reges Interesse am Wiederaufbau in Wien.

Rudolf Münch - Rudolf Münch (1922-1994) studierte an der Wiener Akademie für angewandte Kunst, wo er die Meisterklasse von Franz Schuster besuchte. Er war vorübergehend im Atelier von Alvar Aalto in Berlin beschäftigt, bevor sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Wien als Architekt selbständig machte. Vor allem Wohnhausanlagen in Wien und Salzburg entstanden nach seinen Plänen bzw. in Arbeitsgemeinschaften. Sein letztes Projekt war das in einer großen Arbeitsgemeinschaft entwickelte Sozialmedizinische Zentrum Wien-Ost (Langobardenstraße 122, Wien 22, 1975-1981).