Mobile Version aus nicht mehr nachfragen

Landstraßer Hauptstraße 129

Fakten

Landstraßer Hauptstraße 129

Landstraßer Hauptstraße 129, 1030 Wien

Baujahr: 1937-1938

Wohnungen: 9

Architekt: Wilhelm Peterle

Wohnen in Wien

Zu Beginn der 1930er-Jahre wurde der kommunale Wohnungsbau durch die zunehmend schlechte Wirtschaftslage massiv eingeschränkt. Um für die arbeitslose Bevölkerung trotzdem Wohnraum und Beschäftigung schaffen zu können, ging die Stadt dazu über, am Stadtrand liegendes Bauland zu erschließen und so genannte "Erwerbslosensiedlungen" zur Verfügung zu stellen. Die Siedlungshäuser wurden von den späteren Bewohnern nach einem vorgegebenen Bebauungsplan selbst errichtet. Durch die Ausschaltung des Parlaments und die Einführung einer autoritären ständestaatlichen Verfassung verlor Wien 1934 den Status eines eigenen Bundeslandes. Der Wohnbau kam so gut wie zum Erliegen, und die Arbeitslosigkeit stieg weiter. Der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung versuchte die Stadt entgegenzuwirken, indem sie Bauland zur Gründung autarker Wohneinheiten bereitstellte und so die Bewohner aus dem Elend der traditionellen Arbeiterbezirke an den grünen Stadtrand absiedelte.

Geschichte

Bis in die 1930er-Jahre stand an dieser Stelle ein einstöckiges Haus, das mit seiner Straßenfront und zwei Seitenflügeln einen langgestreckten Hof umgab, der bis zur Baumgasse reichte. Solche Hofanlagen waren typisch für die bis Ende des 19. Jahrhunderts sehr ländliche Gegend im äußeren Bereich der Landstraße. 1937 wurde das lange Grundstück, das aufgrund der Straßenführung zur Landstraßer Hauptstraße abgeschrägt ist, geteilt und diese Wohnhausanlage errichtet.

Die Architektur

Das schlichte, funktionell durchgestaltete Gebäude besteht aus einer Geschäftszone im Erdgeschoß und fünf Wohngeschoßen. Die Eingangstür zum Stiegenhaus ist zentral gelegen und wird von schmalen Schaukästen flankiert. Beidseitig davon sind die großflächigen Schaufenster und Eingangstüren der zwei Geschäftslokale symmetrisch angeordnet. Darüber ist die schlichte, dekorlose Fassade mit drei Fensterachsen hochgezogen.
Im Gegensatz zur Straßenfront zeigt die Hofseite ein völlig unsymmetrisches Bild. Das Stiegenhaus ist leicht nach links versetzt, wodurch links davon nur eine Fensterachse Platz hat, an der rechten Seite zwei. Rechts ist der Baukörper auch noch etwas weiter in den Hof vorgezogen. Diese Form ergibt sich aus rein funktionellen Überlegungen aufgrund des engen, unregelmäßigen Grundstückgrundrisses. Pro Geschoß befinden sich zwei Wohnungen mit jeweils einem Vorraum, einer Küche, zwei Zimmern und einem Sanitärbereich. Jene Wohnungen mit nur einem Straßenfenster, liegen zum Hof rechts vom Stiegenhaus, wo sie sich in zwei Fenstern öffnen. Durch den vorgezogenen Block, wird der Raumverlust ausgeglichen, der durch die Schräge an der Straßenfront verloren geht.

... und die Kunst

In der Tradition von Adolf Loos stehend, ist die Geschäftszone mit rötlichen Granitsteinplatten verkleidet. Auffallend dabei ist, dass nicht die gesamte Front des Erdgeschoßes mit Platten bedeckt ist, sondern rechts und links ein Mauerstreifen frei bleibt, wodurch die gesamte Geschäftszone den Eindruck eines eingeschobenen Schaukastens vermittelt. Darüber sind die Wohngeschoße schlicht und ohne Dekor hochgezogen. Die Fenster sind mit einer schwachen, farblich betonten Profilierung in die Fassade eingeschnitten. Eine solche Profilierung rahmt auch die gesamte Fassadenfront. Die unsymmetrische Modellierung der Hoffront ergibt sich aus den Grundrissen der Wohnungen. Auch hierin folgte Peterle den von Loos formulierten Prinzipien des modernen Bauens.

Der Name

Die ehemalige Vorstadt "Landstraße" entwickelte sich aus einer Ansiedlung um das einst im Bereich des heutigen Rochusmarktes gelegene Kloster St. Nikolai. Um 1200 wurde diese Dorfgemeinschaft vor den Mauern Wiens als "Niklasvorstadt" bezeichnet. Die Straße entlang sich die Ansiedlung ausdehnte, wurde bereits im 2. Jahrhundert von den Römern genutzt. Etwa um 1300 findet sich erstmals die Erwähnung "An der Landstraße". Sie führte vom Stubentor direkt nach Ungarn und gab der Vorstadt später ihren Namen. 1850 erfolgte im Zuge der Stadterweiterung die Zusammenlegung der Vorstädte Landstraße, Erdberg und Weißgeber zum 3. Wiener Gemeindebezirk.

Architekten

Wilhelm Peterle - Der in Ried im Innkreis geborene Wilhelm Peterle (1893-1959) studierte zunächst an der Technischen Hochschule Graz, wechselte 1913 an die Technische Hochschule Wien, wo er 1921, nach geleistetem Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg, sein Studium abschloss. Peterle arbeitete zunächst im Atelier Simony, bis er eine Stelle im Wiener Stadtbauamt erhielt, wo er vor allem mit der Errichtung von Wohnhausanlagen befasst war. Als Anhänger der Gartenstadtbewegung plante er neben zahlreichen anderen Projekten für das Rote Wien die Großsiedlung "Am Tivoli" (Hohenbergstraße 3-21, Wien 12).