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Edgar-Schranz-Hof

Fakten

Edgar-Schranz-Hof

Rustenschacherallee 44-56, 1020 Wien

Baujahr: 1954-1954

Wohnungen: 163

Architekt: Wilhelm Kaiser, Johann (Hans) Stöhr

Weitere Adressen

Böcklinstraße 67-75, 1020 Wien

Lukschgasse 5, 1020 Wien

Wohnen in Wien

Ab 1949 war der Wohnbau zahlenmäßig wieder auf dem Niveau des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit. Doch noch war die Bevölkerung verarmt und oft obdachlos. Kleine Duplex-Wohnungen, die später zusammengelegt werden konnten, linderten schließlich die Wohnungsnot. 1951 wurde Franz Jonas, Sohn einer Arbeiterfamilie, Bürgermeister von Wien. In seine Amtszeit fiel die rege Bautätigkeit im Rahmen des Projektes "Sozialer Städtebau" ab 1952. Das 8-Punkte-Programm hatte die Trennung von Wohn- und Gewerbebereichen, eine Auflockerung der Wohnbereiche sowie die Assanierung einzelner Viertel zum Ziel. Die standardmäßige Ausstattung der Wohnungen wurde verbessert - alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.

Geschichte

Die Atmosphäre des Gemeindebaus ist durch dessen Beziehung zum Pratergelände geprägt. Bis zum Jahr 1766, mit der Freigabe an ein allgemeines Publikum durch Joseph II., war der Prater ein nur wenigen zugängliches kaiserliches Jagdrevier. Zur Erbauung des Volkes sollten neben diversen Arten von Unterhaltung Wirtshäuser entstehen. Nach dem Entschluss, Wien zur Weltstadt zu machen und für die Weltausstellung ein Grundstück nördlich des Volkspraters zu wählen, veränderte sich die Landschaft durch den Eingriff von namhaften Architekten grundlegend. Während des Zweiten Weltkriegs gravierend beschädigt, wurde das Gelände bis 1953 wieder instand gesetzt. Bis heute ist der Prater ein beliebtes Ausflugsziel, das u. a. durch die naturbelassene Prater-Au charakterisiert ist.

Das Grundstück, auf dem der Wohnbau steht, befand sich bis 1921 in Privatbesitz. Im Jahre 1940 ging es an die "Ostmark Keramik Aktiengesellschaft" über, wurde dem Privatbesitzer jedoch 1949 rückerstattet. 1954 wurde es von der Stadt Wien erworben.

Die Architektur

Die Wohnhausanlage umfasst fünf parallel zueinander angeordnete Baublöcke, die mit den Schmalseiten nach der Rustenschacherallee und der Böcklinstraße orientiert sind, sowie zwei flankierende Häuser, die im rechten Winkel zu den mittleren Trakten stehen. Zwischen den Wohneinheiten sind großzügige Freiflächen vorhanden, die als Grünzonen genutzt sind. Die zur Straße geöffnete Anlage bricht mit der Wiener Tradition der intimen, geschlossenen Hofform. Wie schon in den 1920er- und 1930er-Jahren wurde versucht, durch konzentrierte Stapelung möglichst vieler Wohnungen ausgedehnte Zonen für den Erholungsbedarf zu schaffen. Besonderen Reiz gewinnt dieses Konzept durch die damit verbundene Öffnung zu dem naturbelassenen Areal des Praters. Die Gliederung der Trakte ist einheitlich symmetrisch gehalten. An den Breitseiten ist der Mittelteil jeweils durch einen Dachaufbau akzentuiert. Zwei der Zentralachsen sind entweder durch einen Erker betont, der vom ersten Stock bis zum Dachgeschoß reicht, oder mittels Balkone akzentuiert, welche die gegenüber liegenden Fensterachsen paarweise zusammenfassen. Einachsige Erker flankieren die durch Balkone bestimmten mittleren Fassadenabschnitte. Ein schmaler, durch dunklen Verputz von der Grundfarbe des Hauses differenzierter Sockel definiert jeweils das Erdgeschoß.

... und die Kunst

An den Fronten des Baus befinden sich zwei Reliefs als Hauszeichen. Die Kunstwerke wurden 1953 - 1957 von Hermann Walenta geschaffen. Sie tragen den Titel "Vogelflug". Bemerkenswert ist auch Christa Vogelmayers "Badende", eine Majolikaplastik auf einem Sockel, die 1953 entstand.

Der Name

Die Bezeichnung Rustenschacherallee ist ein alter Flurname. Vor 1921 nannte man sie Pratergürtelstraße und Kronprinzstraße, später Prinzenallee.

Edgar Schranz wurde am 2. Juni 1930 in Wien geboren. Nach der Matura 1949 studierte er Staatswissenschaften an den Universitäten Graz und Wien, berufsbegleitend zu seiner Tätigkeit in der Pensionsversicherung der Arbeiter. 1961 promovierte er zum Dr. rer. pol. 1965 wurde er Direktor der österreichischen Bauernkrankenkasse, 1974 Generaldirektor-Stellvertreter der Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit war er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Sozialdemokratie aktiv, erst in der Sozialistischen Jugend, später als Bezirksparteivorsitzender der SPÖ Leopoldstadt und als Mitglied des SPÖ-Bundesparteivorstandes. Ab 1970 vertrat Edgar Schranz das Bundesland Wien im Bundesrat und wurde ein Jahr später Abgeordneter im Nationalrat, dem er bis 1994 angehörte. Mehr als 15 Jahre lang stand er an der Spitze des Verfassungsausschusses des Nationalrates. Sein Kampf für Demokratie und gegen Faschismus und Rechtsextremismus wurzelte in seiner Familiengeschichte und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Als Mitglied des österreichischen Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus kämpfte er für die Interessen von NS-Opfern. Sein wichtigster Kampf war zeitlebens der für soziale Gerechtigkeit. Edgar Schranz starb am 13. April 2009 in seiner Heimatstadt Wien.

Sanierung

von 2015 bis 2020

In der Wohnhausanlage wurden umfassende Renovierungsarbeiten durchgeführt, darunter die Wärmedämmung von Fassaden, Balkonen und inneren Bereichen. Der Einbau von Wärmeschutzfenstern und Balkontüren verbessern die Energieeffizienz. Auch der Dachstuhl, die Kamine und diverse Eingangstüren wurden instandgesetzt bzw. erneuert.

Architekten

Wilhelm Kaiser - Wilhelm Kaiser (1899-1966) plante unter anderem gemeinsam mit Rudolf Kolowrath die kommunalen Wohnhäuser Justgasse 6-14 in Wien 21 (1950/51) und Sturgasse 3-5 in Wien 2 (1954-1956). Mit Johann Stöhr realisierte er die Wohnhausanlage Rustenschacherallee 44-56 in Wien 2 (1954).

Johann (Hans) Stöhr - Johann (Hans) Stöhr (1897-1981) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Nach seinem Studium trat er in das Wiener Stadtbauamt (MA 19) ein, dessen Leiter er bis 1963 war. In dieser Funktion war er vor allem in der Zeit des Wiederaufbaus an der Errichtung zahlreicher kommunaler Bauten beteiligt. So wurden ein Teil der Stadtrandsiedlung Leopoldau in Wien 21 und der Bauteil Ost der Per-Albin-Hansson-Siedlung in Wien 10 nach seinen Entwürfen errichtet. 1950 wurde seine berufliche Tätigkeit in dokumentierter Form als Dissertation an der TU Wien anerkannt.