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Max-Berdiczower-Hof

Fakten

Max-Berdiczower-Hof

Obere Augartenstraße 12-14, 1020 Wien

Baujahr: 1930-1931

Wohnungen: 188

Architekt: Karl Schmalhofer

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Die Straße, in der sich das Wohnhaus befindet, ist in Zusammenhang mit dem Bereich des heutigen Augartens zu sehen, der bis in das 15. Jahrhundert unbewohnt gewesen sein dürfte. Im 17. Jahrhundert setzte die bauliche und gärtnerische Gestaltung des Gebietes ein. Kaiser Joseph II. machte den Garten 1775 für die Öffentlichkeit zugänglich. Im Zuge der Donauregulierung in den 1870er-Jahren wurde der Gefahr von Überschwemmungen, durch die die Zone stark betroffen war, Einhalt geboten. Während der 1910er- und 1920er-Jahre errichtete man in nächster Umgebung des Wohnhauses ein Elektrizitätswerk (Eingang durch Augartenstraße 14 a). Das Grundstück, auf dem der Gemeindebau errichtet ist, ging 1929 an die Stadt Wien über.

Die Architektur

Der auf verhältnismäßig engem Grund, zwischen der Straßenflucht und dem dahinter befindlichen Umspannwerk, errichtete Bau ist durch die streng symmetrische Anordnung der Blöcke gekennzeichnet. Die Anlage umschließt einen Straßenhof, der mittig durch einen Trakt geteilt ist. Der Aufbau der Front dieses von zwei Blöcken flankierten Bauteils betont die Zentralachse. Ein turmartiger Ausbau, der von Balkonen begrenzt wird und in einen Dachaufbau übergeht, akzentuiert die Mitte. Im Erdgeschoß ist die Mauer der seitlichen Fassadenabschnitte etwas zurückgesetzt. Zwei an den Ecken der Front in der Höhe des ersten Stocks platzierte Putti betonen die Gliederung. Die Fassaden der beiden seitlichen Blöcke sind jeweils durch einen Erker und einen turmartigen Ausbau, der wie im zentralen Gebäude in einen Dachaufbau übergeht, spiegelgleich gegliedert. Ein halbrunder Erker in der Höhe des ersten Stocks akzentuiert die Ecken der flankierenden Trakte.

... und die Kunst

Die beiden an den Ecken der Front des zentralen Gebäudeteils platzierten Putti bestimmen die Gesamtwirkung der Fassade als Bestandteil der symmetrischen Gliederung mit. Die Steinskulpturen wurden im Zuge der Errichtung des Baus geschaffen. Ihr Stil ist für die Zeit der Entstehung ungewöhnlich. Dies lässt sich durch die Nähe zum barocken Augarten erklären, an dessen Charakter die Form der Skulpturen anzuschließen sucht.

Der Name

Max Berdiczower wurde am 23. August 1883 in Brody in der heutigen Ukraine geboren. Über seine Kindheit und Jugend ist nicht viel bekannt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Sozialdemokrat 1918 in Wien zum provisorischen Bezirksvorsteher der Leopoldstadt ernannt und durch die Wahl 1919 im Amt bestätigt. Bis zum Februar 1934 sollte er es ausüben. Während seiner Amtszeit wurden im zweiten Bezirk zahlreiche Wohnbauten errichtet, darunter einer der ersten Gemeindebauten Wiens, der Wachauer Hof in der Jungstraße. Ein Höhepunkt der städtebaulichen Entwicklung dieser Zeit war zweifellos die Eröffnung des Stadions im Prater 1931. Max Berdiczower war neben seiner Tätigkeit als Bezirksvorsteher auch Redaktionssekretär bei der Arbeiter-Zeitung. Außerdem war er im Vorstand des Leopoldstädter Kinderspitals, das 1924 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den Besitz der Stadt Wien überging. Während der Februarkämpfe 1934 wurde er als Sozialdemokrat vorübergehend verhaftet und als Bezirksvorsteher abgesetzt. Von Beginn an war er in dieser Funktion mit antisemitischen Schmähungen der konservativen Presse konfrontiert gewesen. Ab den 1930er-Jahren kam es immer wieder auch zu tätlichen Übergriffen gegen die jüdische Bevölkerung in der Leopoldstadt. Am 10. Dezember 1938 starb Max Berdiczower unter nicht näher bekannten Umständen. Neun Tage später wurde er in der Feuerhalle Simmering eingeäschert.

Sanierung

von 2015 bis 2020

In der Wohnhausanlage wurden umfassende Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Dazu gehören die Erneuerung der Dachdeckung, das Herstellen eines Unterdachs und auch die Dämmung des Dachs, der Terrassen und der Balkone. Die thermischen Decken- und Wandsanierungen steigern die Energieeffizienz des Gebäudes, das zu einer Einsparung des Heizwärmebedarfs von 77% geführt hat. Die Neuherstellung der Dachverblechung sowie die Brandrauchentlüftung in den Stiegenhäusern trugen zur Modernisierung und Sicherheit bei.

Architekten

Karl Schmalhofer - Karl Schmalhofer (1871-1960) studierte Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Als Architekt des Wiener Stadtbauamtes errichtete er zahlreiche Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien. Sein bedeutendstes Werk ist das gemeinsam mit Otto Nadel erbaute Amalienbad (Wien 10, Reumannplatz).