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Goethehof

Fakten

Goethehof

Schüttaustraße 1-39, 1220 Wien

Baujahr: 1929-1930

Wohnungen: 785

Architekt: Rudolf Frass, Karl Hauschka, Victor Mittag, Johann Rothmüller, Hugo Mayer, Heinrich Schopper, Alfred Chalusch

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Der Goethehof war als eine der letzten Bastionen des Widerstandes gegen den austrofaschistischen Ständestaat während der Februarkämpfe 1934 heftig umkämpft. Erst nach längerer Zeit des Dauerbeschusses - zum Teil mit schwerer Artillerie - besiegten Polizei und Armee diese Hochburg der Sozialdemokratie. Eine den Verteidigern des Goethehofes gewidmete Gedenktafel wurde erst in den 1980er-Jahren angebracht. Der ursprünglich nach dem Montessoriprinzip geführte Kindergarten der Anlage wurde von Österreichs einzigen Bauhaus-Schülern Friedl Singer und Franz Dicker eingerichtet. Bereits 1934 zerstörten Vandalen einen Teil der modernen Ausstattung, die noch heil gebliebenen Reste wurden 1938 per "gesetzlicher Verordnung" vernichtet.
Zu medialer Berühmtheit gelangte die Wohnhausanlage in den 1990er-Jahren durch die beliebte Fernsehserie "Kaisermühlenblues", die den geschichtsträchtigen Goethehof zu einem ihrer Schauplätze machte.

Die Architektur

Die zu den Superblocks zählende Wohnhausanlage wurde von mehreren Architekten gemeinsam entworfen, wobei die einzelnen Bauteile auch deren unterschiedliche Architektursprachen widerspiegeln. Die Anlage gliedert sich in drei große Höfe, die durch die Front an der Schüttaustraße als monumentale, geschlossene Fassade mit zurückspringendem Mittelteil miteinander verbunden sind. Die Rückseite des Hofes ist zur Alten Donau hin offen. Als Seitenflügel begrenzen zwei konkave Baublöcke die Anlage Richtung Wasser. Der mittlere Hof öffnet sich in der Achse des Haupteingangs mit zwei erhöhten Eckbauten zum Erholungsgebiet. Im linken, näher zur Wagramer Straße liegenden Hof befindet sich ein frei stehendes Kindergartengebäude, während im rechten der Schwung des begrenzenden Baublocks wiederholt wird. Eine zusätzliche Gliederung erfährt die Wohnhausanlage durch das unterschiedliche Bodenniveau. Die architektonische Ausgestaltung der einzelnen Wohngebäude reicht von expressiv anmutenden, klinkerverkleideten Akzentuierungen bis hin zu geometrisch-sachlichen Konstruktionen.

... und die Kunst

Im ersten Hof, am Rande des Areals des Kindergartens, steht eine vermutlich aus den 1930er-Jahren stammende, nicht signierte Natursteinplastik mit der Darstellung der Märchenfigur des Rattenfängers von Hameln.
An der Fassade zur Schüttaustraße befindet sich eine Sonnenuhr mit Tierkreiszeichen-Reliefs aus farbig glasierter Keramik. Der Entwurf zu dieser Arbeit stammt vom Architekten Alfred Chalusch, für die künstlerische Umsetzung zeichnete der bekannte Bildhauer Oskar Thiede verantwortlich.
Am Hauptportal sind drei Figuren - zwei Musiker und eine Tänzerin -, die aus der Errichtungszeit der Wohnhausanlage stammen, zu sehen. Vermutlich ebenfalls aus dieser Zeit stammt die Bronzetafel "Ewige Ernte" von Josef Humplik.
1984 wurde eine vom Bildhauer Franz Pixner künstlerisch gestaltete Gedenktafel für die während der Februarkämpfe im Jahr 1934 Gefallenen im Kampf um den Goethehof im Durchgang des Hauptportals angebracht.

Der Name

Der Namensgeber dieser Wohnhausanlage ist der berühmte Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Eine Tafel im Durchgang des Hauptportals erinnert an den so genannten "Dichterfürsten".

Architekten

Rudolf Frass - Rudolf Frass (1880-1934) studierte von 1900 bis 1904 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Otto Wagner. 1906 eröffnete er in Wien ein eigenes Büro. Im Zuge seiner umfangreichen Bautätigkeit realisierte Frass gemeinsam mit anderen Architektenkollegen drei Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien.

Karl Hauschka - Karl Hauschka (1896-1981) studierte Architektur an der Akademie der bildenden Küste Wien bei Peter Behrens. Bei diversen Architekturwettbewerben gewann er mehrere Preise, jedoch sind kaum realisierte Werke bekannt. In den 1920er- und 1930er-Jahren entwarf er in Arbeitsgemeinschaft mit Viktor Mittag eine Reihe von Wohnhausanlagen des Roten Wien, darunter auch den Wildganshof in Wien 3, sowie in den 1960er-Jahren den Harry-S.-Truman-Hof in Wien 23 in Zusammenarbeit mit den Architekten Wenko Bossew, Otmar Brunner, Maria Albrecht, August Kastner, Karl Molnar und Rudolf Sorgo.

Victor Mittag - Viktor Mittag (1896-1962) studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule bei Heinrich Tessenow und Josef Hoffmann und später an der Akademie der bildenden Künste. Gemeinsam mit Karl Hauschka errichtete er eine Reihe von Wohnhausanlagen des Roten Wien. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden neben mehreren Wohnbauten in Wien auch Wohnhäuser in Eisenstadt nach seinen Plänen.

Johann Rothmüller - Johann Rothmüller (1882-1965) errichtete 1912 seine ersten Wohnbauten. Aus der Zusammenarbeit mit dem Architekten Alfred Mautner stammen seine wichtigsten Werke: das Löwenkino (Wien 3, Löwengasse 33; heute in anderer Verwendung) und das Orthopädische Krankenhaus Gersthof (Wien 18, Wielemansgasse 28).

Hugo Mayer - Hugo Mayer (1883-1930) studierte an der Technischen Hochschule in Wien. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Wohnhaus- und Siedlungsbau und ist einer der wichtigsten Vertreter in diesem Bereich. Neben zahlreichen Wohnanlagen für die Gemeinde Wien plante er auch Kindergärten und Schulen. Seine Wohnanlage für die Bediensteten der Städtischen Gaswerke (1910-1914) gilt als typologischer Vorläufer des Gemeindewohnbaus der Zwischenkriegszeit.

Heinrich Schopper - Heinrich Schopper (1881-1952) besuchte die Meisterschule Otto Wagners an der Akademie der bildenden Künste Wien. 1915 gründete er eine Bürogemeinschaft mit Julius Chini, 1924 dann eine mit Alfred Chalusch, in der bis 1930 vier Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien entstanden. 1926 adaptierte er das Kurtheater in Reichenau/Rax und richtete es neu ein.

Alfred Chalusch - Alfred Chalusch (1883-1957) besuchte die Meisterschule Otto Wagners an der Akademie der bildenden Künste Wien. Die Dokumentation seines Werks ist nicht sehr umfangreich. 1924 gründete er mit Heinrich Schopper eine Bürogemeinschaft, in der bis 1930 vier Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien entstanden. Sein einziges nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenes Bauwerk ist die Wohnhausanlage in der Wehlistraße 40, Wien 20.