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Julius-Deutsch-Hof

Fakten

Julius-Deutsch-Hof

Grinzinger Allee 54, 1190 Wien

Baujahr: 1952-1953

Wohnungen: 210

Architekt: Carl Wilhelm Schmidt, Rudolf Eisler

Weitere Adressen

Huschkagasse 1, 1190 Wien

Wohnen in Wien

Ab 1949 war der Wohnbau zahlenmäßig wieder auf dem Niveau des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit. Doch noch war die Bevölkerung verarmt und oft obdachlos. Kleine Duplex-Wohnungen, die später zusammengelegt werden konnten, linderten schließlich die Wohnungsnot. 1951 wurde Franz Jonas, Sohn einer Arbeiterfamilie, Bürgermeister von Wien. In seine Amtszeit fiel die rege Bautätigkeit im Rahmen des Projektes "Sozialer Städtebau" ab 1952. Das 8-Punkte-Programm hatte die Trennung von Wohn- und Gewerbebereichen, eine Auflockerung der Wohnbereiche sowie die Assanierung einzelner Viertel zum Ziel. Die standardmäßige Ausstattung der Wohnungen wurde verbessert - alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.

Geschichte

Die Familie Josef und Auguste Blauhorn führten hier, wo jetzt die städtische Wohnhausanlage steht, ab 1924 ein weltoffenes und kulturinteressiertes Haus. Die Liegenschaft umfasste auf 15.000m2 eine Villa mit Park und beherbergte eine bedeutende Kunstsammlung. Die Nationalsozialisten raubten ab 1938 den Besitz und vertrieben die Familie. Von den Kunstwerken wurden nur wenige zurückgegeben, die Villa wurde nach ihrer Restitution an die Stadt Wien verkauft, die 1951 diese Wohnhausanlage errichtete.

Am Rande des alten Weinbauortes Grinzing, der im späten 19. Jahrhundert zu einem noblen Wohnviertel mit Villenbauten wurde, errichtete man in der frühen Wiederaufbauphase eine großzügige städtische Wohnhausanlage. Dadurch konnte auch Bevölkerungsgruppen, für die dies bis dahin unmöglich gewesen wäre, ein Leben in Grünruhelage ermöglicht werden - bei gleichzeitig guter infrastruktureller Versorgung und Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz.

Die Architektur

Die Anlage wurde auf einem parkartigen Gelände errichtet und weist mehrere unterschiedliche Bauteile auf. Zunächst gelangt man von der Straße aus zu einer Gruppe zweistöckiger Bauten, die teils parallel, teils rechtwinkelig zur Grinzinger Allee angeordnet sind. Ihre Fassaden entsprechen der zeittypischen Gestaltungsweise: Sie verfügen über französische Fenster, Balkone und Loggien, die Fenster sind durch vortretende Faschen gerahmt. Eine Nut setzt das darüber liegende Mauerwerk vom Sockel ab, dessen grober Verputz als eine Art Rahmung um die Haustüren hochgezogen ist.

Ungewöhnlichere Bauteile finden sich, wenn man weiter in die Anlage vordringt: So wurden hier zwei einstöckige Bauten auf geschwungenem Grundriss errichtet, deren Zugänge zu den Wohnungen in traditioneller Pawlatschen-Bauweise gestaltet sind und die über Eckloggien verfügen. Weiters wurde ein siedlungsartiger Bauteil angelegt, der aus ebenerdigen Wohneinheiten mit individuellen Zugängen besteht.

... und die Kunst

An einem der parallel zur Grinzinger Allee gelegenen Häuser befindet sich das Relief "Familie" von Alfons Loner. Zwischen den Gebäuden der Anlage liegt ein Platz, auf dem ein vom Bildhauer Hubert Wilfan gestalteter Brunnen steht. Dieser ist mit Mosaiken und Plastiken in Form von Affen und einer Schildkröte geschmückt.

Der Name

Die Anlage wurde nach Julius Deutsch (1884-1968) benannt, einem sozialdemokratischen Politiker, der u.a. Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat und Staatssekretär für Heerwesen in der Ersten Republik war. Besondere Bekanntheit erlangte er aber als Gründer und Obmann des Republikanischen Schutzbundes. Nach dessen Verbot 1934 floh Deutsch zunächst in die CSSR, wirkte als General im Spanischen Bürgerkrieg sowie in der Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten in Paris, bis er schließlich in die USA entkommen konnte. 1946 kehrte er wieder nach Österreich zurück.

Architekten

Carl Wilhelm Schmidt - Der in Frankfurt am Main geborene Carl Wilhelm Schmidt (1883-1972) war von 1925 bis 1967 in Wien als Architekt tätig. Sowohl über seine Ausbildung als auch über seine Tätigkeit während des Zweiten Weltkrieges gibt es kaum Informationen. Von den wenigen dokumentierten Bauten Schmidts ist das Wohn- und Geschäftshaus "Zur goldenen Birne" in Wien 3 (Landstraße Hauptstraße 31, 1934/35) sein bekanntestes. Für die Gemeinde Wien plante er die Wohnhausanlage Trazerberggasse 66-68 in Wien 13 (1956-1958) und gemeinsam mit Rudolf Eisler den Julius-Deutsch-Hof in Wien 19 (Grinzinger Allee 54, 1952/53).

Rudolf Eisler - Rudolf Eisler (1881-1977) studierte Architektur an der Akademie der bildenden Künste und an der Technischen Hochschule Wien. Gemeinsam mit Ferdinand Glaser realisierte er bereits vor dem Ersten Weltkrieg mehrere Bankgebäude in der gesamten Donaumonarchie. Mit Glaser führte er auch seinen wichtigsten Autrag aus, die von 1923 bis 1925 erfolgte Ausstattung der Österreichischen Nationalbank am Otto-Wagner-Platz in Wien 9. Für die Stadt Wien entwarf Eisler die Wohnhausanlagen Walkürengasse 8-10 in Wien 15 (1944) und Kleingasse 6-18 in Wien 3 (1950-1951, mit Josef Baudys).