Keltengasse 4
Keltengasse 4
Keltengasse 4, 1230 WienBaujahr: 1975-1978
Wohnungen: 215
Architekt: Walter Lagler, Lucia Aichinger, Hilde Filas
Weitere Adressen
Wagenmanngasse 4-6, 1230 Wien
Mehlführergasse 22, 1230 Wien
Wohnen in Wien
In den 1970er-Jahren begann eine erste Sanierungswelle des Wohnungsaltbestands der Stadt Wien, um den Wohnstandard anzuheben. Zusätzlich wurden von 1972 bis 1977 rund 16.500 neue Wohnungen gebaut. Der Wohnungsmangel war beseitigt. Nun sollten sich neue Anlagen auch besser in ihre Umgebung einfügen, sich vom Straßenverkehr abwenden, öffentlich gut erreichbar und vor allem mit der nötigen Nahversorgung ausgestattet sein. Damit rückte auch ein Grundgedanke des "Roten Wien" aus den 1930er-Jahren wieder in den Mittelpunkt: Es wurde wieder Wert auf die Sozialisierung des Wohnens gelegt. 1978 wurde die Grundsteinlegung der 200.000sten Wohnung seit 1923 gefeiert.
Geschichte
Die weitläufige Wohnhausanlage an der Keltengasse 4, Mehlführergasse 22-24 und 26-28 wurde in den Jahren 1975-78 nach Plänen der Architekten Lucia Aichinger, Hilde Filas und Walter Lagler errichtet. Die insgesamt 33 Stiegen erstrecken sich über einen Verband von vier Gassen und sind teilweise als Randbebauung nördlich und südlich der Keltengasse gruppiert. Das bebaute Gebiet liegt nahe dem früheren Zentrum von Atzgersdorf (Kirchenplatz), das 1850 als freie Gemeinde konstituiert wurde. In der Folge entwickelte sich das ehemals landwirtschaftlich geprägte Dorf zur industriellen Gemeinde Wiens mit einer Reihe von Fabriken, wie der sogenannten "Auerstrumpf"-Fabrik, in der der Erfinder des Gasglühlichts (OSRAM), Carl Auer von Welsbach (1858-1929), ab 1892 produzierte. Damit einhergehend stieg die Bevölkerungszahl ebenso wie die Anzahl an Schulen, durch deren Dichte sich der Bezirk Liesing, in den Atzgersdorf 1938 eingemeindet wurde, auch heute noch auszeichnet.
Die Architektur
Die in Ost-West-Richtung ausgerichtete Wohnhauszeile an der Keltengasse 4 mit insgesamt 4 Stiegen ist Teil der weitläufigen Wohnhausanlage an der Mehlführergasse 22-24 und 26-28.Die Stiegennummerierung der Häuser wurde fortgeführt, so befinden sich die Stiegen 17-20 an der Keltengasse 4, während die restlichen Stiegen eine andere Hauptadresse tragen. Optisch folgen alle fünf- und sechsgeschoßigen Gebäude der Anlage denselben Gestaltungsprinzipien. Auffallend sind dabei vor allem die weiß getünchten Erker, die sich vom ersten bis zum vorletzten Wohngeschoß durchziehen und lediglich im Bereich der Stiegenhausachsen unterbrochen werden. Sie heben sich von den dahinter liegenden terrakotta-farbenen Baublöcken ab und sind durch alternierende vertikale Achsen mit mehrteiligen Fenstern und mit vor die Fassade kragenden Halbloggien gegliedert. Ein weiteres Merkmal des Baus sind die Dachterrassen im 5. bzw. 6. Geschoß, die die Erkerfassaden nach oben hin abschließen.Die Anlage verfügt über Kleinkinderspielplätze, einen Sportplatz sowie einen Kindergarten und liegt darüber hinaus in unmittelbarer Nähe zum Fridtjof-Nansen-Park.
... und die Kunst
Der Durchgang zwischen den Stiegen 19 und 20 ist mit einem Fliesenmosaik der Wiener Künstlerin Florentina Pakosta (geb. 1933) mit dem Titel "Ornamentale Struktur" (1977-78) künstlerisch gestaltet.
Der Name
Die Keltengasse erhielt ihren Namen 1967 aufgrund der Funde in der Gegend, die auf Keltensiedlungen hinweisen. Die ehemalige Bauergasse wurde im Jahr 1955 nach dem Gemeinderat von Atzgersdorf Theodor Mehlführer (1880-1929) in Mehlführergasse umbenannt.Zu Ehren Johann Matthias Prückelmayrs, Freiherr von und zu Goldegg (1589-1657), Lehensherr von Atzgersdorf, Liesing und Steinhof, wurde 1967 die ehemalige Gasse 3 in Prückelmayrgasse umbenannt.
Prominente Bewohner
Zu den zahlreichen berühmten Bewohnern von Atzgersdorf gehört auch der Volksschauspieler Karl Skraup (1898-1958), der vor allem durch seine Rollen in Nestroy- und Raimundstücken große Beliebtheit erlangte. Zu seinen Ehren stiftet die BAWAG (Bank für Arbeit und Wirtschaft, heutige BAWAG PSK) seit 1968 den "Karl-Skraup-Preis" für herausragende Ensemblemitglieder. Karl Skraup wurde auf dem Atzgersdorfer Friedhof beigesetzt.
Architekten
Walter Lagler - Walter Lagler (1939-1995) studierte von 1961 bis 1968 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Unter anderem entwarf er die Reihenhausanlage Viktor-Hagl-Gasse 19 in Wien 14 (1977-1980) und zusammen mit Rudolf Lamprecht die kommunale Wohnhausanlage Hebbelplatz 3 in Wien 10 (1982-1985).
Lucia Aichinger - Lucia Aichinger (geb. Klär, 1921; verh. Stamminger) studierte ab 1941 an der Technischen Hochschule Wien und war bereits in den späten 1940er-Jahren als selbständige Architektin tätig. Von ihr stammt unter anderem der Um- und Dachausbau des Finanzamtes in Wien 15 (Ullmanngasse 54) und der Kindergarten am Kinzerplatz in Wien 21. Während ihrer vorübergehenden Tätigkeit in Deutschland wurde ein Hotel in Pocking (Niederbayern) nach ihren Plänen errichtet. Aichingers bedeutendstes Bauwerk ist das gemeinsam mit Sepp Stein entworfene Institut für Krebsforschung in Wien 9 (Borschkegasse 84, 1972-1976).
Hilde Filas - Hilde Filas (geb. 1922, ledig Friedrich) studierte von 1943 bis 1948 an der Technischen Hochschule Wien bei Karl Holey, Friedrich Lehmann und Erich Boltenstern. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst unter anderem in den Büros von Viktor Ruczka und Wilhelm Kroupa mit, bevor sie sich 1951 als Architektin selbständig machte. Vor allem Wohnbauten und Kindergärten entstanden nach ihren Entwürfen, wie etwa das Wohnhaus Markhofgasse 6 in Wien 3 und der Kindergarten Schulsteig in Wien 19, der der Architektin ein besonderes Anliegen war. In einer Architektengemeinschaft wurde die Wohnhausanlage Mehlführergasse in Wien 23 von ihr mitgeplant.