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Ketzergasse 376-382

Fakten

Ketzergasse 376-382

Ketzergasse 376-382, 1230 Wien

Baujahr: 1977-1979

Wohnungen: 50

Architekt: Gerhard Molzbichler, Alois Machatschek

Wohnen in Wien

In den 1970er-Jahren begann eine erste Sanierungswelle des Wohnungsaltbestands der Stadt Wien, um den Wohnstandard anzuheben. Zusätzlich wurden von 1972 bis 1977 rund 16.500 neue Wohnungen gebaut. Der Wohnungsmangel war beseitigt. Nun sollten sich neue Anlagen auch besser in ihre Umgebung einfügen, sich vom Straßenverkehr abwenden, öffentlich gut erreichbar und vor allem mit der nötigen Nahversorgung ausgestattet sein. Damit rückte auch ein Grundgedanke des "Roten Wien" aus den 1930er-Jahren wieder in den Mittelpunkt: Es wurde wieder Wert auf die Sozialisierung des Wohnens gelegt. 1978 wurde die Grundsteinlegung der 200.000sten Wohnung seit 1923 gefeiert.

Geschichte

Rodaun, bis 1938 eigenständige Gemeinde und heute ein Stadtteil Wiens im Bezirk Liesing, liegt am Eintritt der Liesing aus dem Wienerwald in das Wiener Becken. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes erfolgte im Jahre 1170 als "Radune". 1938 nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde Rodaun von Wien eingemeindet. Das wurde im Jahr 1954 bestätigt. Rodaun ist bekannt für das Schloss Rodaun, das vermutlich bereits zur Zeit der Babenberger erbaut wurde, sowie die daneben befindliche Bergkirche Rodaun, ein reiner Barockbau. Rodaun wurde im 14. Jahrhundert unter Albrecht II. nach Perchtoldsdorf eingepfarrt. 1783 wurde es zur Lokalkaplanei erhoben. Nach der Einführung des Lokalkaplans Johann Baptist Heibel wurde der hinter dem Gemeindehaus (heute Ketzergasse 382) gelegene Friedhof der neuen Lokalkaplanei eingeweiht. Das in der alten, die Wohnhausanlage Ketzergasse 376-382 abschließenden Mauer befindliche Tor soll der Friedhofseingang gewesen sein. Der Friedhof musste 1799 an den östlichen Ortsrand gegen Liesing (zwischen Leinmüllergasse und Ketzergasse) verlegt werden. Die daneben und dahinter befindlichen Schulgebäude von 1874 und später wurden abgerissen und durch einen neuen Zubau und drei frei stehende Häuser ersetzt.

Die Architektur

Vorrangig ging es bei der Wohnhausanlage mit sechs Stiegen um die Einbeziehung und sanierende Rekonstruktion des alten dreiflügeligen Amtshauses mit Ehrenhof und eines anschließenden zweigeschoßigen Altbaus. An diese Altbausubstanz wurden an der Ketzergasse beiderseits Neubauten angesetzt. In das Grüngelände dahinter wurden drei frei stehende, zweigeschoßige Kompakthäuser eingestellt. Die Straßenfassade an der Ketzergasse beeindruckt durch subtile Einbettung der Altbausubstanz mit gleichzeitiger Betonung der Individualität der Architektursprache in den unterschiedlichen Bauteilen. In die gelb gestrichene Fassade des Amtshauses sind Sprossenfenster mit profilierten Sohlbankgesimsen eingelassen. Im Obergeschoß des zurückgesetzten Mittelflügels fällt als Dachbekrönung eine große spitzgiebelige Dachgaupe mit zwei rundbogigen Sprossenfenstern auf. Im Erdgeschoß wurde eine Geschäftszeile eingezogen. Der linke Flügelkopf ist im Erdgeschoß zu einem Laubengang geöffnet. An der Gebäuderückseite wurden die seitlichen Flügelbauten des ehemaligen Amtshauses verbreitert und zu neobarocken, vierachsigen Risaliten verlängert. Beim rechts an das Amtshaus anschließenden Altbau mit einer großen rundbogigen Toreinfahrt wurde die terrakottafarbene Fassade belassen. In der Dachlandschaft wurden die beiderseits angefügten Neubauten zu Gunsten des alten Ortsbildes den Altbauten angeglichen. In der Fassadengestaltung setzen sie sich jedoch deutlich von ihnen ab. Beide sind in grauem Sichtbeton ausgeführt. Der höhengestufte Baukörper im Osten ist eine Lückenverbauung. Im Anschluss an die Nachbarbauten ist er zwei- bis dreigeschoßig angelegt. Durch fünfteilige Bandfenster wird dieser beidseitige Anschluss akzentuiert. Kontraste setzen die stark hervortretenden Kuben der Blumenkästen und das kräftige Vierkantgesims über den Auslagenfenstern und dem Durchgang in den Hof. Bei der dreifach tiefengestuften Fassade des Neubaus westlich des ehemaligen Rathauses wiederholt sich das Motiv des Vierkantgesimses und der Blumenkästen. Die Eckkanten sind durch ums Eck geführte Fenster mit Unterlichten stark betont. Im Erdgeschoß liegen in schräg eingeschnittenen Laibungen die polsterquaderartig vorspringenden hochrechteckigen Fenster der Geschäftszone. Eine Durchfahrt im Westen führt zur Tiefgarage und zu den Pkw-Stellplätzen an der Gebäuderückseite. Im abfallenden Grünareal dahinter liegen drei Kompaktbauten in einer dreiecksförmigen Anordnung in der Längsachse des ehemaligen Amtshauses. Sie alle haben einen kreuzförmigen Grundriss. Die Fassaden sind in den Hauptachsen symmetrisch gegliedert. Ihre Eingangsportale sind mit Sichtbetonseitenwänden und vorkragendem Betonpultdach geschützt. Die Eckkanten der Bauten haben über Eck führende mehrflügelige Fenster. Die flachen Satteldächer sind mit Welleternit gedeckt und die teilweise tief herabgezogenen Kastendachrinnen sind im Kontrast zur weißen Wandfarbe mit dunklen Eternitschindeln verkleidet.

Der Name

Die Ketzergasse ist die von der Triester Straße in Verlängerung der Ortsstraße abzweigende Verbindung Siebenhirten-Liesing-Rodaun und entsprechend dem Altstraßenverlauf ein vielfach gekrümmter Straßenzug. Der letzte Abschnitt ist die ehemalige Hauptstraße von Rodaun.

Architekten

Gerhard Molzbichler - Gehard Molzbichler (1941-2000) studierte bis 1968 an der Technischen Universität Wien. Von 1972 bis 1980 führte er zunächst eine Arbeitsgemeinschaft mit Alois Machatschek, bevor er 1980 sein eigenes Büro gründete. Gerhard Molzbichler war vor allem im Bereich Schulbau tätig. Zu seinen bedeutendsten Bauwerken gehören die HTL samt Internat (1972) und die HBLA (1979) in Braunau/OÖ, das Gemeindezentrum Breitenfurt/NÖ (1989) sowie die Bundesschulzentren Schärding/OÖ (1997) und Rohrbach/OÖ (1999).

Alois Machatschek - Alois Machatschek (geb. 1928) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1961 auch promovierte. Für die Gemeinde Wien war er unter anderem an der Planung zum Arthur-Schnitzler-Hof in Wien, Döblinger Hauptstraße 1 in Wien 19 (1959/60), beteiligt. Bedeutung erlangte Alois Machatschek aber vor allem durch den Umbau und die Restaurierung zahlreicher historischer Bauten. Gemeinsam mit Wilfried Schermann erneuerte er etwa das bedeutende Barockpalais Caprara/Geymüller in Wien 1, Wallnerstraße 8 (1986-1988), und das Palais Ferstel in Wien 1, Freyung 2 (1978-1986).