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Josef-Baldermann-Hof

Fakten

Josef-Baldermann-Hof

Pasettistraße 9-21, 1200 Wien

Baujahr: 1960-1962

Wohnungen: 172

Architekt: Rudolf Grigkar, Richard Jicha, Josef (Jaroslav) Bayer

Wohnen in Wien

In den 1960er-Jahren nahm der Wohnbau in Wien bis hin zum Wohnungsbauboom der 1970er-Jahre kontinuierlich zu. Die Grundlage dafür bildeten 1961 ein städtebauliches Konzept und ein Generalverkehrsplan von Roland Rainer. Der geplante U-Bahn-Bau sowie die Erschließung bisheriger Randgebiete nördlich der Donau förderten diese Entwicklung. Besonders am südlichen und östlichen Stadtrand gab es Grundstücke zu günstigen Preisen, auf denen neue große Wohnviertel geschaffen wurden. Die neue Fertigteilbauweise mit vorgefertigten Betonelementen erlaubte es, in kurzer Zeit ganze Stadtteile neu zu errichten.

Geschichte

Seit 1850 gehörten die Orte Zwischenbrücken und Brigittenau zu Wien. Sie waren zunächst Teil der Leopoldstadt und wurden 1900 zum 20. Wiener Gemeindebezirk zusammengefasst. Die Wohnanlage in der Pasettistraße liegt etwas außerhalb der beiden traditionellen Ortskerne des 20. Bezirks. Sie befindet sich auf ehemaligem Überschwemmungsgebiet, das durch die Donauregulierung trockengelegt wurde und ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachhaltig besiedelt und wirtschaftlich genutzt werden konnte. Anfang der 1960er-Jahre förderte die Gemeinde Wien gezielt den Wohnhausbau in der nördlichen Brigittenau. In Zusammenhang mit der Anlage in der Pasettistraße 9-21 wurde zu Beginn der 1960er-Jahre von derselben Architektengruppe auch die Wohnhausanlage in der Leystraße 38 geplant. Die Anlage grenzt an ein damals bereits bestehendes Schulgebäude. Hinter dem Wohnhaus liegt ein Garten mit Sportplatz. Das Haus war 1962 bezugsfertig und blieb seither im Wesentlichen unverändert.

Die Architektur

Der schlanke, achtgeschoßige Block erstreckt sich entlang der Pasettistraße bis zur verkehrsreichen Adalbert-Stifter-Straße. Die Fassaden des langen, freistehenden Traktes sind weitgehend schlicht gehalten und durch Achsen vertikal gegliedert. An der Fassade in der Leystraße liegen nach Südwesten hin sechs Loggienreihen. Sie setzen oberhalb des Sockelpodests an und reichen bis kurz unterhalb des Hauptgesimses. Die dazwischen liegenden Fenster sind regelmäßig axial angeordnet. Das Hauptgesims ist durchgängig. Durch eine differenzierte Farbgebung im Bereich der vertieft in die Fassade eingelassenen Loggien wird die vertikale Gliederung betont. Auffällige Farbgebungen an den Fassaden dienten in den 1960er-Jahren häufig als Ersatz oder zur Unterstützung einer architektonischen Gliederung der Baukörper. Die sieben Stiegen können von der Grünanlage her betreten werden. Auch an dieser Seite ist die Fassade vertikal durch Fenster- und Balkonachsen gegliedert. Durchgehend verglaste Stiegenhäuser rhythmisieren die Fassade und verkürzen sie optisch. An der schmalen Nordwestseite der Anlage befinden sich zur verkehrsreichen Adalbert-Stifter-Straße hin lediglich zwei Fensterreihen. Typisch für die Bauzeit sind die Zeilenform der Anlage und die funktionelle Sachlichkeit des Baukörpers. Der hohe, freistehende Block bewirkt eine Öffnung des Raumes. Auf der Grünfläche hinter der Anlage befinden sich ein Kinderspielplatz und eine kleine Sportanlage, die mit dem zeitgleich errichteten Haus in der Leystraße 38 verbunden ist.

... und die Kunst

Oberhalb der Stiegenzugänge befinden sich sieben Glasmosaike. Ein weiteres Mosaik aus der Reihe ist oberhalb des Eingangs zum Wohnhauses Leystraße 38 angebracht. Die Künstler Siegfried Fischer, Otto Swoboda, Herbert Tasquil und Ferry Franz Zotter gestalteten zur Bauzeit je zwei der insgesamt acht "Abstrakten Ornamente". Gerade wegen der funktionellen Sachlichkeit der Architektur in den 1950er- und 1960er-Jahren kam der künstlerischen Ausgestaltung der Anlagen große Bedeutung zu. Torfeldmosaike dienen wie Hauszeichen einerseits als Orientierungssystem, andererseits zur verstärkten Identifikation der Bewohner mit ihrem Haus bzw. der Stiege.

Der Name

Der Hof ist nach Josef Baldrmann (auch: Baldermann) benannt. Er wurde 1903 geboren und war während der NS-Zeit Werkzeugfräser in der nahe gelegenen Metallwarenfabrik Blau. 1941 wurde er unter der Anklage "Vorbereitung zum Hochverrat" verhaftet, weil er Flugschriften verbreitet und Geld für die Familien von Inhaftierten gesammelt hatte. 1943 wurde er in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Architekten

Rudolf Grigkar - Rudolf Grigkar (1907-1995) studierte ab 1926 bei Peter Behrens an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Als selbständiger Architekt plante er unter anderem für die Gemeinde Wien die Wohnhausanlagen Pregartengasse 6-8 in Wien 21 (1957/58) und Taborstraße 53-55 in Wien 2 (1957-1959).

Richard Jicha - Richard Jicha (1924-1982) studierte ab 1946 bei F. Adolf Lutz und Lois Welzenbacher an der Akademie der bildenden Künste Wien. Für die Gemeinde Wien plante er etwa zusammen mit Leopoldine Schwarzinger den Franz-Graczoll-Hof in Wien 15, Flachgasse 36-46 (1974-1977).

Josef (Jaroslav) Bayer - Josef (Jaroslav) Bayer (1889-1979) studierte an der Kunstakademie in Sofia, anschließend in Wien an der Technischen Hochschule und an der Akademie der bildenden Künste, wo er 1915 seinen Abschluss machte. Vom Werk Bayers sind heute nur wenige Gebäude bekannt, die aber allesamt für die Gemeinde Wien enstanden; unter anderem die Wohnhausanlagen Sechsschimmelgasse 19 (Wien 9, 1925; gemeinsam mit Hartwig Fischel), Petzvalgasse 3 (Wien 4, 1928/29) und Paletzgasse 17 (Wien 6, 1930).