Richard-Stockinger-Hof
Richard-Stockinger-Hof
Cottagegasse 65, 1190 WienBaujahr: 1958-1959
Wohnungen: 56
Architekt: Heinrich Schmid
Wohnen in Wien
In den 1950er-Jahren ging es vor allem darum, Zerstörtes wieder aufzubauen und viele neue Wohnungen zu errichten. In den kommunalen Wohnbauten dieser Zeit finden sich die ersten Ansätze der sich später durchsetzenden Zeilenbauweise, die bis heute die großen Vorstadtsiedlungen prägt. Die Wohnbauten wurden größer, höher und waren verstärkt in Blockform gestaltet. Das Flachdach setzte sich durch. Alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern und WC ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.
Geschichte
Diese großzügige Anlage wurde in der Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg in einem noblen Villenviertel errichtet. Dadurch konnte auch Bevölkerungsgruppen, für die dies bis dahin unmöglich gewesen wäre, ein Leben in Grünruhelage ermöglicht werden - bei gleichzeitig guter infrastruktureller Versorgung und Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz.
Die Architektur
Das Gelände, auf dem die Anlage errichtet wurde, steigt in Richtung Türkenschanzpark an, weshalb die Bauten von der Cottagegasse aus über einige Stufen zu erreichen sind. Auf der Seite zur Marianne-Schönauer-Terrasse findet sich auch ein barrierefreier Zugang. Der Gemeindebau umfasst fünf Stiegen, davon zwei gekuppelte, die locker auf dem weitläufigen Areal verteilt sind. Im Garten gibt es mehrere Spielplätze und Sitzgelegenheiten. Dominierend ist der Eindruck, den der vielfältige, alte Baumbestand und die liebevolle Gartengestaltung hinterlassen.Die Fassadengestaltung wirkt hingegen sehr zurückgenommen. Über den leicht zurückspringenden Sockeln, die durch die dunkle Farbgebung des neuen Anstrichs betont werden, liegen glatte Mauerflächen. Diese sind lediglich durch die Fenster strukturiert, welche keinerlei Rahmung aufweisen. Die Haustüren zeigen ebenfalls eine zeittypische Gestaltungsweise: Sie sind mehrfach nach innen abgestuft und mit kleinen Vordächern versehen.
... und die Kunst
An der hinteren Grundstücksgrenze stehen fünf mosaikverkleidete Kunststeinsäulen für das Spiel "Vater, Vater, leih mir d’Scher", die von der Künstlerin Ilse Pompe gestaltet wurden.
Der Name
Richard Stockinger wurde am 30. Jänner 1934 in Wien-Döbling in eine Arbeiterfamilie geboren und wuchs im Karl-Marx-Hof auf. Er erlernte den Beruf eines Schriftsetzers und engagierte sich bereits als Jugendlicher im Vorfeld der Sozialistischen Partei Österreichs. So wurde er 1947 Mitglied der Roten Falken und 1948 Mitglied der Sozialistischen Jugend, deren Bezirksobmann er im 19. Bezirk war. Ab 1957 gehörte er dem Bezirksvorstand der SPÖ Döbling an. Von 1966 bis 1974 war Stockinger Bezirkssekretär der SPÖ für den 19. Bezirk. Im April 1966 wurde er in den Wiener Landtag bzw. Gemeinderat gewählt. Von 1975 bis zur Bezirksvertretungswahl 1978 war er Bezirksvorsteher von Döbling. In den folgenden elf Jahren bekleidete er die Funktion des Bezirksvorsteher-Stellvertreters und gehörte von 1987 bis 1991 abermals dem Wiener Gemeinderat und Landtag an. Ein besonderes Anliegen waren Richard Stockinger soziale Fragen. Lange Zeit fungierte er als Vorsitzender der Volkshilfe in Döbling. 1975 wurde ihm das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen. Richard Stockinger wohnte von der Fertigstellung des Gemeindebaus bis zu seinem Lebensende am 31. August 2021 in dieser Anlage.
Architekten
Heinrich Schmid - Heinrich Schmid (1885-1949) studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er die Meisterschule Otto Wagners besuchte. 1912 eröffnete er mit seinem Studienkollegen Hermann Aichinger ein gemeinsames Atelier in Wien, das bald zu einem der führenden Architekturbüros der Zwischenkriegszeit wurde. Neben zahlreichen Wohnhausanlagen wie etwa dem Rabenhof (Wien 3) und dem Julius-Popp-Hof (Wien 5) wurden auch das Hanusch-Krankenhaus (Wien 14, Heinrich-Collin-Straße 30) und das Österreichische Verkehrsbüro (Wien 1, Friedrichstraße 7) nach ihren Entwürfen errichtet.