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Gemeindebau NEU nach Lotte Brainin benannt

(v.l.n.r.) Karin Ramser (Direktorin Wiener Wohnen), Bürgermeister Michael Ludwig, Elfriede Jelinek, Familie Brainin, Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler, Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál, Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy und Paul Steurer (Direktor Wigeba)

Der neue Gemeindebau in der Mela-Köhler-Gasse 7 wurde einer außerordentlich mutigen Frau, die sich dem Nazi-Regime entgegenstellte, gewidmet. Bürgermeister Michael Ludwig und Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál nahmen am 20.5. die Benennung gemeinsam mit Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy sowie im Beisein zahlreicher Ehrengäste vor, darunter Hugo Brainin, der 100-jährige Witwer der 2020 verstorbenen Lotte Brainin, weiterer Mitglieder der Familie und der Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Sie war Lotte Brainin sehr verbunden und ihr ist ein wesentlicher Impuls für die Namensgebung zu verdanken.

„Sich für Menschenwürde, gegen Hass, Hetze, Krieg und gegen ein barbarisches Regime einzusetzen, ist heute ebenso wichtig wie damals. Umso bedeutsamer sind Persönlichkeiten wie Lotte Brainin, die dem menschenverachtenden Nationalsozialismus mutig Widerstand geleistet haben. Sie überlebte Folter und Konzentrationslager, gelang die Flucht aus dem KZ – und sie bewahrte sich ihre Haltung und ihren Einsatz für Menschlichkeit. Lotte Brainin verdient unsere höchste Anerkennung. Die heutige Benennung ist ein Zeichen der Wertschätzung und Erinnerung: an sie, an alle ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter – und an das, was diese mutigen Menschen für uns erkämpft und geopfert haben. Ihr Vermächtnis soll unvergessen bleiben“, betonte Bürgermeister Michael Ludwig in seiner Ansprache.

„Lotte Brainin hat als Jüdin seit ihrer Jugend Hetze und Verfolgung erlebt. Früh hat sie erkannt, welcher Abgrund die Menschheit bedroht und schon in jungen Jahren gegen die Nazis gekämpft. Auch dank dem Wirken von Lotte Brainin ist das Terror-Regime untergegangen und ein Leben in Freiheit möglich geworden. 65 Straßen, Plätze, Parks und Gebäude sind in der Seestadt nach bedeutenden Frauen benannt. So setzen wir mit der Gemeindebau-Benennung erneut einer großen, unvergesslichen Frau ein Denkmal“, unterstrich Vizebürgermeisterin, Wohnbau- und Frauenstadträtin Kathrin Gaál.

„Überall kämpft Lotte Brainin als politischer Flüchtling für Österreich und seine Kultur, seine damals überfahrene, zerstückelte Kultur, die ihre besten Teile ausgespuckt hatte unter dem Tritt von Stiefeln“, so Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek anlässlich der Hofbenennung.

Das Leben der großen Widerstandskämpferin Lotte Brainin

Lotte Brainin, geb. Charlotte (Lotte) Sontag wurde am 12.11.1920 in Wien geboren und verstarb im 101. Lebensjahr am 16.12.2020. Bereits in ihrer Jugend schloss sich Lotte Sontag der sozialistischen Jugendorganisation Rote Falken an und kämpfte aktiv gegen den erstarkenden Nationalsozialismus in Österreich. Nach den Februarkämpfen 1934 wurde sie aus politischen Gründen zum ersten Mal verhaftet und zu drei Wochen Haft verurteilt. Nach dem Anschluss Österreichs war sie als Jüdin bedroht und setzte sich nach Belgien ab. Dort schloss sie sich der jüdischen Widerstandsgruppe Österreichische Freiheitsfront (ÖFF) an. Im Rahmen der „Travail Allemand“ beteiligte sie sich an der lebensgefährlichen „Mädelsarbeit“. Junge Frauen versuchten mit Angehörigen der Deutschen Wehrmacht ins Gespräch zu kommen und sie im antifaschistischen Sinn zu beeinflussen.

Im Jahr 1943 wurde sie beim Übergeben einer Antikriegszeitung festgenommen, brutal verhört und gefoltert. Dann deportierten sie die Nazis im Jänner 1944 aus dem Sammellager Mechelen ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Dort war sie im lagerinternen Widerstand in der Kampfgruppe Union Kommando aktiv, die versuchte, eines der Krematorien zu sprengen. Anfang 1945 wurde sie zur Teilnahme an einem Todesmarsch gezwungen. Sie kann ins KZ Ravensbrück, aus dem ihr Ende April die Flucht gelang.

Ein Leben lang setzte sie sich dafür ein, diese Erinnerung an das NS-Verbrechensregime und die Lehren daraus zu vermitteln und wachzuhalten.

Erinnerungskultur im Gemeindebau „Niemals vergessen“

Wiener Wohnen hat erst jüngst gemeinsam mit Forscher*innen des DÖW eine großangelegte Studie präsentiert, die die dunkle Zeit des Nationalsozialismus ausleuchtet. Denn mit Beschluss vom 14. Juni 1938 wurden tausende jüdische Mieter*innen systematisch aus ihren Gemeindewohnungen vertrieben. Ziel der Studie war es, diese Schicksale sichtbar zu machen und die Erinnerung wachzuhalten. Neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung setzt Wiener Wohnen deshalb auf eine breite Vermittlung der Erkenntnisse. Aktuell werden in zehn Bezirken dazu geführte Rundgänge angeboten. Weitere Informationen zum Forschungsprojekt, die Anmeldung zu den Rundgängen und ein Ausblick auf weitere Vermittlungsangebote finden sich auf: nievergessen.wienerwohnen.at

Der „Lotte-Brainin-Hof“ im Überblick

Vor zwei Jahren wurden die 76 innovativen 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen an die rund 170 Bewohner*innen übergeben. Eine Besonderheit des Gemeindebau NEU: Durch eine veränderbare Raumeinteilung können die Wohnungen leicht an persönliche Bedürfnisse angepasst werden, Schiebewände sowie Zimmer mit zwei Zugängen gewährleisten eine hohe Flexibilität. Großzügige umlaufende Balkone und raumhohe Fenster unterstreichen die hohe Qualität der Wohnungen.

Die Lage der Wohnhausanlage in der Mela-Köhler-Gasse 7 direkt am Elinor-Ostrom-Park und nahe der U2-Station „Seestadt“ erfüllt sowohl den Wunsch nach Spiel- und Erholungsmöglichkeiten als auch nach einer öffentlichen Verkehrsanbindung in nächster Nähe. Ein ausgezeichneter ökologischer Standard ist durch den Einsatz von nachhaltigen Materialien, u.a. eines integrierten Wärmeverbundsystems für eine hohe Energieeffizienz, Fernwärme sowie PV-Anlagen gewährleistet.