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Schreiben für die Erinnerung

Ernst Papanek war Pädagoge, glühender Sozialdemokrat und Retter jüdischer Kinder. Jetzt ist ein Buch über sein Leben erschienen. Wir haben mit der Autorin und Historikerin Lilly Maier gesprochen.

Ernst Papanek rettete während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich ca. 300 jüdische Kinder vor dem Holocaust. Die Historikerin Lilly Maier hat jahrelang intensiv recherchiert und im Buch „Auf Wiedersehen, Kinder!“ die Lebensgeschichte des aus Wien stammenden Mannes niedergeschrieben. Wir haben sie im Ernst-Papanek-Hof in der Oelweingasse 21 – 23 im 15. Bezirk getroffen. (Das Gespräch ist auszugsweise in Episode 2 unseres Wiener Wohnen Podcasts zu hören!)

Wie ist es für Sie hier zu stehen, im Ernst-Papanek-Hof?
Es ist jetzt nicht der aufregendste Gemeindebau von Wien, aber Ernst Papanek hätte es hier sicher sehr gefallen. In diesem Haus befindet sich auch ein Jugendverein – das ist etwas, das ihm viel bedeutet hätte.

Er ist hier um die Ecke aufgewachsen?
Da die Straße hinunter, in der Reindorfgasse, ist er aufgewachsen. Der Ort, an dem ein Gemeindebau nach ihm benannt wird, wurde sinnvoll gewählt.

Sie haben sehr lange recherchiert für dieses Buch, was war das Interessanteste, das Sie dabei gefunden haben?
Bei der Recherche ist mir aufgefallen, das sein Leben noch viel abenteuerlicher und spannender war, als ich gedacht hatte. Er war im Spanischen Bürgerkrieg, er wurde von Nationalsozialisten gefoltert. Ich kannte ihn, weil  er hunderte jüdische Kinder gerettet hat – das war auch sein Hauptverdienst, aber es stellte sich heraus, dass sein Leben vor und nach dem Krieg genauso aufregend war.

Mit wie vielen Kindern, die von Ernst Papanek in Frankreich gerettet wurden, haben Sie gesprochen?
Zehn von den ca. 300 Kindern habe ich für das Buch interviewt. Insgesamt kenne ich 20 dieser – wie sie sich selbst nennen –„Frankreich-Kinder“.

Sie konnten in New York Interviews mit Ernst Papanek im Umfang von 40 Stunden durchhören – wie war das für Sie?
Er klingt so, wie unsere Großeltern klingen, wenn sie Englisch sprechen: „Sis Hauss …“ – es ist ein lustiges Englisch, der Interviewer hat sich sehr schwergetan, ihn zu verstehen. Für mich war es einfach. Und es war wahnsinnig berührend für mich, seine Stimme zu hören. (Hier kann man kurze Interviewpassagen von Ernst Papanek anhören.)

Was erzählt er über Wien? 
Ganz viel, Wien war seine große Liebe. Er erzählt von den Februarkämpfen und sehr abenteuerliche Geschichten von seiner Flucht.

Ernst Papanek war ja auch als Pädagoge seiner Zeit voraus?
Er hat in Wien an der Pädagogischen Hochschule studiert. Er war mittendrin in der Wiener Schulreform, die die ganze monarchische Schule umgeworfen hat, mit Otto Glöckel und vielen anderen. Das erworbene Wissen hat er dann im Zweiten Weltkrieg auf unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge angewandt und eben 1939 bei Paris für sie eines der modernsten Kinderheime entwickelt. Es wäre sicher auch heute noch eine der progressivsten Schulen Wiens.

Hier im Gemeindebau hängt eine Gedenktafel.
J
a, er wurde in der Gumpendorfer Straße geboren und hat in der Reindorfgasse gewohnt. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in den USA, aber als er schwer krank war, reiste seine Frau mit ihm wieder hierher und er ist dann am 5. August 1973 in seinem Wien gestorben. Seine Schwestern warfen seiner Frau vor, dass sie ihn getötet habe, denn ihrer Meinung nach hätte er in New York unter 24-Stunden-Betreuung noch länger gelebt.

Was haben die Kinder und Enkelkinder von Ernst Papanek zu ihrem Buch gesagt?

Sie haben alle Passagen gelesen, in denen sie vorkommen. Der Sohn, Gus Papanek, kann Deutsch. Er lebt in Boston, ist 94 Jahre alt und freut sich sehr, dass viele Menschen in Wien jetzt wieder mehr über seinen Vater erfahren.

Danke für das Gespräch!
Danke auch