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Georg-Emmerling-Hof

Fakten

Georg-Emmerling-Hof

Obere Donaustraße 97-99, 1020 Wien

Baujahr: 1953-1957

Wohnungen: 215

Architekt: Elisabeth Hofbauer-Lachner, Leo Kammel jun., Rudolf Hofbauer

Weitere Adressen

Gredlerstraße 2, 1020 Wien

Lilienbrunngasse 2-4, 1020 Wien

Wohnen in Wien

Ab 1949 war der Wohnbau zahlenmäßig wieder auf dem Niveau des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit. Doch noch war die Bevölkerung verarmt und oft obdachlos. Kleine Duplex-Wohnungen, die später zusammengelegt werden konnten, linderten schließlich die Wohnungsnot. 1951 wurde Franz Jonas, Sohn einer Arbeiterfamilie, Bürgermeister von Wien. In seine Amtszeit fiel die rege Bautätigkeit im Rahmen des Projektes "Sozialer Städtebau" ab 1952. Das 8-Punkte-Programm hatte die Trennung von Wohn- und Gewerbebereichen, eine Auflockerung der Wohnbereiche sowie die Assanierung einzelner Viertel zum Ziel. Die standardmäßige Ausstattung der Wohnungen wurde verbessert - alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.

Geschichte

Die Umgebung des Wohnhauses war bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts öde und verwahrlost. Man befürchtete damals einen Überfall der Türken von der Wasserseite aus, wodurch die Bewohner des "Oberen Falls" (heute Obere Donaustraße) der größten Gefahr ausgesetzt gewesen wären. Erst viel später wurde das Gelände sukzessive erschlossen, das erste Haus in der Negerlegasse wurde erst nach 1841 erbaut. Das Grundstück, auf dem die Wohnhausanlage steht, wurde 1951 von der Stadt Wien erworben. Der Gemeindebau ersetzt gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Altbauten, die durch Kriegseinwirkung zerstört wurden. Auf der Stiege 1 hat der 1951 gegründete Österreichische Verband für Stenografie und Textverarbeitung seinen Sitz. 1959 ließ er aus Anlass der in Wien stattfindenden Schreibmaschinenweltmeisterschaft am Gebäude eine Gedenktafel für Peter Mitterhofer (1822-1893), Erfinder der Schreibmaschine, anbringen.

Die Architektur

Die Wohnhausanlage befindet sich an der Kreuzung der Lilienbrunngasse mit der Oberen Donaustraße und an der Gredlerstraße. Winkelig aneinanderstoßende Trakte umschließen einen begrünten Hof. In der Oberen Donaustraße befindet sich ein einstöckiger, breiter Bauteil mit Flachdach, der von zwei höheren Trakten flankiert wird und den Blick in den allseitig umschlossenen Hof freigibt. Wie bei den angrenzenden Baublöcken ist das Erdgeschoß von Geschäftsfenstern durchbrochen, die über eine profilierte Steinrahmung verfügen. Darüber bilden hochformatige Fenster ein Band aus, das sich in den seitlichen Trakten fortsetzt. Zwei genutete Putzfelder, die an die vier mittleren Fenster grenzen, setzen einen symmetrischen Akzent. Der gegenüber liegende Bauteil sowie die flankierenden Trakte sind sechs bis sieben Stockwerke hoch und ähnlich gegliedert. Die Fassade wird durch hochformatige Fenster charakterisiert; im obersten Stock betont ein ausladendes Gesims die Horizontale; das Erdgeschoß ist durch ein Gesims von den darüber befindlichen Stockwerken abgesetzt. Der an der Ecke Obere Donaustraße/Lilienbrunngasse befindliche Trakt weist eine erhöhte Sockelzone auf, die mit der Traufenlinie des niedrigen Bauteils zusammen fällt. Die architektonische Gliederung wird durch das Vortreten der beiden Eckteile bestimmt, die entlang der Lilienbrunngasse im Erdgeschoß von Arkadengängen, die den Gehsteig der Lilienbrunngasse aufnehmen, durchbrochen werden. Der Hof ist vor allem durch das halbrunde Ausschwingen des niedrigen Bauteils gekennzeichnet. Die diesem gegenüber befindliche, großteils von der Straße aus einsichtige Front wird durch einen Mittelrisalit charakterisiert. Die Hoffassaden weisen eine erhöhte Sockelzone mit Gesims auf. Das oberste Geschoß wird durch ein weiteres breites Gesims betont.

... und die Kunst

Im Hof befindet sich die zwischen 1955 und 1957 entstandene Plastik "Ziege" von Alois Heidel. Das Kunstwerk widerspricht schon aufgrund der aufgerissenen Oberfläche und der Proportion des Tiers dem in den 1950er-Jahren gängigen Ideal eines intakten Naturbildes. Als Symbol für die eigene erfahrene Armut und Armseligkeit war sie im Wiederaufbauoptimismus eine Irritation und Ziel von Angriffen.
Im Baublock an der Kreuzung der Lilienbrunngasse mit der Oberen Donaustraße setzen zwei Natursteinreliefs als Supraporten einen symmetrischen Akzent. Die Kunstwerke mit dem Titel "Hafenmotiv" und "Markt" wurden zwischen 1954 und 1956 von Ernst Wenzelis geschaffen. Über den Durchgängen wirken die beiden Reliefs als große Bildfelder.
2021 wurde die Halbplastik „Themroc“ von Steinbrener/Dempf & Huber an der Fassade Richtung Donaukanal angebracht. Das Kunstwerk knüpft ästhetisch an die idealisierten Darstellungen von Arbeitern in Gemeindebauten an.

Der Name

Die Wohnhausanlage ist nach Georg Emmerling (1870-1948) benannt. Der Namensgeber war zwischen 1919 und 1934 Vizebürgermeister von Wien.

Sanierung

von 2019 bis 2022

2019 bis 2022 wurde der Georg-Emmerling-Hof saniert und mit dem Stadterneuerungspreis in Gold in der Kategorie "Bravour Leistung" ausgezeichnet. Neben einer thermischen Sanierung mit Fassadendämmung, Einbau von Holz-Alu-Wärmeschutz-fenstern, Dachboden- und Kellerdeckendämmung wurden Erhaltungsarbeiten durchgeführt. Das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Ensembles wurde wiederhergestellt. Im Dachgeschoß entstanden neun zeitgemäße Wohnungen.

Architekten

Elisabeth Hofbauer-Lachner - Elisabeth Hofbauer-Lachner (geb. Lachner, 1913-1977) studierte ab 1931 an der Technischen Hochschule Wien. Für die Gemeinde Wien war sie vorwiegend in größeren Architektengruppen an mehreren Wohnbauten beteiligt. Zusammen mit Julius Csizmazia, Rudolf Sorgo und Friedrich Pangratz entwarf sie die Wohnhäuser Arndtstraße 30-34 in Wien 12 (1969-1971) und Schönbrunner Straße 195 in Wien 12 (1969). Den Georg-Emmerling-Hof in Wien 2 (Obere Donaustraße 97-99, 1953-1957) plante sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Rudolf Hofbauer und Leo Kammel.

Leo Kammel jun. - Leo Kammel jun. (1922-1974) studierte von 1940 bis 1944 Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1970 auch promovierte. Sein Frühwerk ist aufgrund der Namensgleichheit nicht eindeutig vom Spätwerk seines prominenteren Vaters zu trennen. Leo Kammel jun. war zunächst vorwiegend im Wiederaufbau tätig, so erfolgte etwa 1952 unter seiner Leitung die Wiederherstellung des ehemaligen Arbeiterheimes Favoriten, Favoritenstraße 8-10 (erbaut 1901/02). In Wien wurde auch die ehemalige Zentrale des Österreichischen Gewerkschaftsbundes in Wien 1, Wipplingerstraße 35 (1951/52; 2008 abgebrochen) nach seinen Plänen errichtet (vermutlich noch mit Mitwirkung von Leo Kammel sen.). In den 1960er- und 70er-Jahren arbeitete Leo Kammel jun. vor allem in Niederösterreich.

Rudolf Hofbauer - Rudolf Hofbauer (1911-1974) studierte von 1930 bis 1936 Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er später auch von 1945 bis 1957 mit mehrmaliger Unterbrechung die Meisterschule besuchte. Für die Gemeinde Wien war er unter anderem an den Entwürfen zum Georg-Emmerling-Hof in Wien 2 (1953-1957) beteiligt.