Mobile Version aus nicht mehr nachfragen

Türkenritthof

Fakten

Türkenritthof

Hernalser Hauptstraße 190-192, 1170 Wien

Baujahr: 1927-1928

Wohnungen: 77

Architekt: Paul Hoppe

Weitere Adressen

Beringgasse 16, 1170 Wien

Dr.-Josef-Resch-Platz 5-6, 1170 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Seit 1917 ist das Grundstück, auf dem heute der Türkenritthof steht, im Besitz der Gemeinde Wien. Die Anlage wurde zwischen 1927 und 1928 erbaut. Im Februar 1934 wurde Leo Holey, Mitglied des Schutzbundes und Vertrauter der Sozialistischen Partei, im Türkenritthof im Zuge der bürgerkriegsähnlichen Kämpfe von einem Vertreter der Exekutive erschossen. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten in Österreich wurde das Erdgeschoß auf Stiege 3 zum Teil nicht für Wohnzwecke genutzt, stattdessen befand sich dort bis 1945 ein Revier der Staatspolizei mit Arrestlokal.
Zahlreiche Umbauten verbesserten die Wohnqualität kontinuierlich. Heute steht der Türkenritthof unter Denkmalschutz.

Die Architektur

Die Wohnhausanlage setzt sich aus fünf Trakten zusammen, die um einen großen begrünten Innenhof angeordnet sind und jeweils fünf Geschoße haben. Die beiden Trakte an der Hernalser Hauptstraße beherrschen die Frontalansicht der Fassade, ein ebenerdiger Gebäudeteil verbindet sie miteinander. In der Mitte befindet sich das erhöhte Eingangsportal, das von einer Figurenplastik bekrönt wird. Die Sockelzone der Fassade ist oberhalb des Sockelpodestes durch ein Zwischengesims geteilt und wird oben zu den Hauptgeschoßen hin durch ein weiteres Gesims abgeschlossen. Zwei polygonale Erker mit Loggien markieren jeweils die Mittelachse der beiden dominanten Trakte zur Hernalser Hauptstraße hin. Spitzerker, die oberhalb des Hauptgesimses in Dacherker münden, befinden sich an den Seitentrakten. Die Fassade an der Hofseite ist ähnlich gestaltet, auch hier ist die Sockelzone zweigeteilt. An den Seitentrakten münden polygonale Erker in verschiedene Dachaufbauten, durch die sich interessante Höhendifferenzierungen ergeben.
Die Stiegenhäuser liegen hofseitig und sind an der Fassade durch schmale, risalitähnliche Vorbauten gekennzeichnet. Die Eingänge sind abgestuft. Treppen führen von der Hofmitte zu den Eingängen, da der Mittelbereich des Hofes etwas tiefer und in Form eines Platzes angelegt ist. Handwerklich hochwertige Detailarbeiten verleihen der Anlage einen edlen Charakter.

... und die Kunst

Über dem Tor befindet sich eine Sopraporte, die bereits stark beschädigte Sandsteinplastik "Türkenritt" (1927) von Karl Heinrich Scholz. Diese stellt einen in Hernals früher verbreiteten Brauch dar (siehe Namensgebung). Die plastische Gruppe ist sehr bewegt und weist eine unruhige Oberflächenstruktur auf. Das optische Erfassen des Themas wird dadurch erschwert. Dargestellt ist ein türkischer Sultan, der verkehrt auf einem Esel reitet, umgeben von Spotttreibenden.

Der Name

Der Türkenritthof wurde 1927 nach dem Türkenritt benannt, einem alljährlich in Hernals stattfindenden Umzug, bei dem der Sieg über die Türken gefeiert wurde. Ein rittlings auf einem Esel sitzender Pascha, der bei dem Umzug mitgeführt wurde, machte Türken zu Opfern des Spottes. Die Sandsteinplastik über dem Tor des Hofes stellt diesen Brauch dar.

Architekten

Paul Hoppe - Paul Hoppe (1869-1933) stammt aus einer bekannten Architekten- und Baumeisterfamilie. Er studierte zunächst an der Bauschule des Wiener Polytechnikums und legte danach die Baumeisterprüfung ab. Ab 1897 arbeitete er als selbstständiger Architekt, Baumeister und Honorardozent an der Technischen Hochschule in Wien, aber auch in Niederösterreich und Ungarn. Zum Teil war er zusammen mit seinem bekannteren Bruder Emil Hoppe tätig. Zu Paul Hoppes frühen Werken gehören das Gebäude des Frauen-Erwerb-Vereins (4. Bezirk, Wiedner Gürtel 69; 1908) und die Artilleriekaserne Kaiserebersdorf (1914-1917). Später plante er auch zahlreiche private Wohnhäuser und kommunale Wohnanlagen wie den Türkenritthof (17. Bezirk, Hernalser Hauptstraße 190-192; 1927).