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Pfarrgasse 61

Fakten

Pfarrgasse 61

Pfarrgasse 61, 1230 Wien

Baujahr: 1980-1982

Wohnungen: 185

Architekt: Leopold Huber, Peter Deiss

Weitere Adressen

Zeleznygasse 1, 1230 Wien

Wohnen in Wien

Ab den 1980er-Jahren bestimmte ein neuer Stadtentwicklungsplan die Wohnhaussanierung. Der 1984 gegründete Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds und das Wohnhaussanierungsgesetz 1985 ergänzten die optimalen Voraussetzungen für eine sanfte Stadterneuerung. 36 Prozent der Sanierungsgelder flossen in Gemeindebauten, sodass die berühmtesten Gemeindebauten aus der Zwischenkriegszeit saniert werden konnten, wie z. B. der Karl-Marx-Hof, der George-Washington-Hof oder der Rabenhof. Für Neubauten wurde durch Wettbewerbe eine qualitativ hochwertige und individuelle Architektur sichergestellt, wie das Beispiel Hundertwasserhaus zeigt.

Geschichte

Die Wohnhausanlage liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Inzersdorfer Friedhof. Der großflächige Friedhof wurde 1784 auf der Flur "Oberes Vösendorfer Feld" angelegt und mehrfach erweitert, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gleich dreimal. In einem abgesonderten Wäldchen steht darin die Grabkapelle von Heinrich Drasche, einem Ziegelfabrikanten, der im 19. Jahrhundert der Inhaber der Grundherrschaft von Inzersdorf war. Er ist der Namensgeber des gesamten Areals zwischen Südautobahn und Laxenburger Straße, das auch als "Draschegründe" bekannt ist.

Die Architektur

Auf einem großen, trapezförmigen Baugrund wurden insgesamt vier dreigeschoßige Wohnblöcke mit ausgebautem Dachgeschoß errichtet. Die Stiege 1 des nördlichen Wohnblocks ist zwischen den beiden Parkplätzen polygonal zur Zeleznygasse vorgezogen und bildet die Haupteingangs- und Schauseite der Wohnanlage. Davor steht eine Metallplastik. Die anschließenden vier Stiegen liegen ein wenig gegeneinander versetzt entlang des Parkplatzes an der Zeleznygasse.
Ein gerader Wohnblock mit fünf Stiegen verläuft an der Ostgrenze und ein ebensolcher mit sieben Stiegen an der Südgrenze des Areals. Ein Durchgang ermöglicht auch von Süden her den Zugang zum großen Grünbereich. In der Mitte des Grundstücks liegt, leicht diagonal, ein Block mit vier stark gegeneinander versetzten Stiegeneinheiten.

Die Stiege 1 ist als Behindertenwohnhaus konzipiert. Besonders auffallend ist die polygonale Konvexkrümmung dieses Blockes an der Pfarrgasse. Hier sind die Fenstererker unterhalb und oberhalb der Fensteröffnungen der beiden Obergeschoße fast brückenartig miteinander verbunden. Dadurch entsteht eine tiefe Rechtecknische, in die der Blumenbalkon des dritten Geschoßes bis zur Hälfte vorkragt. Die untere Erkerverklammerung fungiert als lange Balkonbrüstung. Darunter liegen die Terrassen der Erdgeschoßwohnungen, die durch strebepfeilerartig vorspringende Betonzwischenwände voneinander abgeschirmt werden.

Alle anderen Stiegen der Wohnanlage sind einheitlich gestaltet und modulartig in Blöcken aneinandergereiht, die mehr oder weniger stark gestaffelt sind. Die ebenerdigen Eingänge liegen jeweils in einem dreiachsigen Mittelrisaliten und haben T-förmig gestaltete Portale. Jede Erdgeschoßwohnung besitzt eine kleine Gartenfläche, die höher liegt als das umliegende Gelände und von diesem durch eine Stützmauer getrennt ist. Vor dem Wohnzimmer und der Küche jeder Obergeschoßwohnung ist ein Blumentrog in die mittige Fassadenrücklage eingeschoben. Über den äußeren Fensterachsen sind große Gauben in steile Satteldächer integriert. Grüne und gelbe Fenster und Portale beleben die weißen Fassaden der Wohnhausanlage.

... und die Kunst

Eine Eisenskulptur von Ludwig Gris vor dem Parkplatz an der Zeleznygasse zeigt ein Stabbündel, das ein rundliches, genarbtes und dadurch organisch wirkendes Gebilde halb durchdringt und halb davon umfangen wird. Darüber wird es von wendeltreppenartig angeordneten, kürzeren und dünneren, langen Stabgebilden umgeben, um an der Spitze in blättrigen Formen auszulaufen. Der Künstler nennt die abstrakten Formen "Solidaritätserfolg". Die halb organisch, halb mechanisch wirkende Plastik könnte das Zusammenwirken verschiedener Kräfte symbolisieren, um ein Gebilde wie z.B. eine soziale Wohnanlage zu erschaffen.

Der Name

Die Pfarrgasse ist seit 1947 nach der Inzersdorfer Pfarrkirche benannt, die zusammen mit dem spätsecessionistischen monumentalen Haupt- und Grundschulgebäude und der k.k. Inzersdorfer Konservenfabrik das Zentrum von Inzersdorf bildet.

Architekten

Leopold Huber - Leopold Huber (geb. 1932) studierte von 1955 bis 1962 bei Oswald Haerdtl und Norbert Schlesinger an der Hochschule für angewandte Kunst Wien. Neben dem Gemeindewohnhaus Pfarrgasse 61 in Wien 23 (mit Peter Deiss, 1980-1982) plante er unter anderem auch das Sommerbad Simmering in Wien 11 (1990).

Peter Deiss - Peter Deiss (1938-2006) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1965 sein Diplom erhielt. Nach diversen Praktika in Deutschland, Finnland und der Schweiz machte er sich als Architekt in Wien selbständig. Peter Deiss führte neben mehreren Wohnbauten vor allem Industrie- und Gewerbebauten aus, wie etwa die Abwasseranlage in Traismauer, die Kläranlage in Neulengbach und verschiedene Zweckbauten am Flughafen Wien-Schwechat. An der Wiener Ringstraße gestaltete er die Geschäftsniederlassungen der Olympic Airways, Japan Airways und der Fluglinien Sabena und TWA (zum Teil heute nicht mehr bestehend). Zudem unterrichtete Peter Deiss an der HTL Mödling.