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Franz-Petritsch-Hof

Fakten

Franz-Petritsch-Hof

Jedleseer Straße 77, 1210 Wien

Baujahr: 1963-1965

Wohnungen: 247

Architekt: Heinrich Schwetter, Josef Wenzel, Kurt Buchta, Stefan Karabiberoff, Rudolf Goder

Weitere Adressen

Bellgasse 27-35, 1210 Wien

Wohnen in Wien

In den 1960er-Jahren nahm der Wohnbau in Wien bis hin zum Wohnungsbauboom der 1970er-Jahre kontinuierlich zu. Die Grundlage dafür bildeten 1961 ein städtebauliches Konzept und ein Generalverkehrsplan von Roland Rainer. Der geplante U-Bahn-Bau sowie die Erschließung bisheriger Randgebiete nördlich der Donau förderten diese Entwicklung. Besonders am südlichen und östlichen Stadtrand gab es Grundstücke zu günstigen Preisen, auf denen neue große Wohnviertel geschaffen wurden. Die neue Fertigteilbauweise mit vorgefertigten Betonelementen erlaubte es, in kurzer Zeit ganze Stadtteile neu zu errichten.

Geschichte

Vor der ab 1870 erfolgten Donauregulierung befanden sich in diesem Gebiet Ausläufer der nördlich des Areals gelegenen Schwarzlackenau. Nach der Trockenlegung wurde die Fläche vorwiegend landwirtschaftlich genutzt. Der dazugehörende Hof stand in der Nähe des Ortes Jedlesee.

Die Architektur

Das rechteckige Siedlungsareal wird im Nordosten durch die Jedleseer Straße, orthogonal dazu verlaufend durch die Bellgasse und die Frauenhofergasse sowie im Südwesten durch die Schulzgasse begrenzt. Die Siedlung ist gekennzeichnet durch eine offene Zeilenbebauung, bei der ausschließlich geradlinige Baukörper parallel bzw. orthogonal zueinander frei im Siedlungsareal stehen. Ein viergeschoßiger, aus acht Hauseingängen bestehender Wohnblock steht parallel zur Frauenhofergasse. Jede Hausgruppe hat jeweils zwei Eingänge. Die beiden nördlich gelegenen Hausgruppen schließen versetzt aneinander an. In dem durch den Versatz entstandenen Bereich befindet sich ein Durchgang, der die Frauenhofergasse mit dem Inneren der Wohnhausanlage verbindet. Die weiteren Haussegmente dieses Wohnblocks sind jeweils um 70 cm nach innen versetzt. Ein Wohnblock mit vier Hauseingängen sowie weitere vier Gebäude mit je zwei Eingängen stehen parallel zur Schulzgasse bzw. der Jedleseer Straße. Die viergeschoßigen Wohnhäuser mit einem ca. 40 cm hohen Sockel aus grauem Betonkratzputz sind mit einem aus Welleternit eingedeckten Satteldach ausgestattet. Die Fassaden aus gelbem Putz sind glatt und unstrukturiert, lediglich die vorgelagerten Balkone mit einer Brüstung aus türkisfarbenem Wellblech setzen farbliche Akzente. Die Wohnungen ohne zugeordneten Freiraum verfügen über einen Französischen Balkon. An der Giebelfassade zur Jedleseer Straße bzw. an den fünf Giebelfassaden zur Bellgasse sind jeweils Balkone angeordnet. Die Hauseingänge und die darüber situierten Stiegenhausfenster sind durch vertikale, gefärbte Putzstreifen markiert.

... und die Kunst

Im Bereich des Durchganges des parallel zur Frauenhofergasse situierten Wohnblocks befindet sich die 4,6 m hohe Kunststeinplastik "Symbolische Form" von Hermann Walenta aus dem Jahr 1964. Gottfried Buchberger gestaltete ebenfalls 1964 die Kunststeinplastik "Rastende", die im Bereich des Hauses der Stiege 8 platziert ist.

Der Name

Die Wohnhausanlage in der Jedleseer Straße 77 wurde im Sommer 2010 in Franz-Petritsch-Hof umbenannt. Franz Petritsch (1928-2004) war von 1964 bis 1986 Bezirksrat in Floridosdorf und von 1978-1987 Bezirksvorsteher-Stellvertreter in seinem Heimatbezirk. Seine Anständigkeit und Fairness lag Petritsch schon aus der Zeit seiner sportlichen Aktivität am Herzen: Er gründete 1945 gemeinsam mit Hermann Brunner den "Boxklub Floridsdorf", war aber auch Ringrichter und Trainer beim Boxklub "Admira".
Als Bezirksvorsteher-Stellvertreter setzte er sich u.a. dafür ein, dass bestehende Kleingartenanlagen erhalten blieben, die ursprünglich eine andere Widmung aufwiesen (z.B. der Alissengrund in Leopoldau). Als Vorsitzender der Wohnungskommission für den 21. Bezirk war er ein hilfsbereiter und kompetenter Ansprechpartner und versuchte, zur Zufriedenheit aller auch über Parteigrenzen hinweg Lösungen und Hilfestellungen zu gewähren. Ebenso setzte er sich in seiner Funktion als Pensionistenvertreter zum Wohle der zahlreichen Pensionisten Floridsdorfs ein und konnte zahlreiche Verbesserungen umsetzen.

Architekten

Heinrich Schwetter - Heinrich Schwetter (1906-2003) studierte 1937 bis 1941 und von 1948/49 bei Franz Schuster an der Wiener Kunstgewerbeschule. Für die Gemeinde Wien entwarf er unter anderem das Wohnhaus Graumanngasse 12 in Wien 15 (1966-1968). Als Mitglied einer größeren Architektengemeinschaft war er auch an den Entwürfen zur Anlage Jedleseer Straße 77 in Wien 21 (1963-1965) beteiligt.

Josef Wenzel - Josef Wenzel (1902-1964) studierte ab 1922 Architektur an der Wiener Akademie der bildenden Künste in der Meisterklasse von Peter Behrens und Clemens Holzmeister. Nach seinem Diplom arbeitete er im Büro von Clemens Holzmeister. Von 1931 bis 1932 wurde nach den Entwürfen Josef Wenzels ein Doppelhaus in der Wiener Werkbundsiedlung errichtet. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete Josef Wenzel vorrangig in Deutschland, wo er an mehreren Siedlungsprojekten beteiligt war. Für die Gemeinde Wien projektierte er gemeinsam mit Rudolf Scherer die Wohnhausanlage Gemeindeberggasse 10-12 im 13. Bezirk und als Mitglied einer größeren Architektengemeinschaft die Anlage Jedleseer Straße 77 im 21. Bezirk.

Kurt Buchta - Kurt Buchta (1921-2004) studierte von 1939 bis 1948 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Für die Gemeinde Wien entwarf er das Wohnhaus Gymnasiumstraße 38 in Wien 18 und war an den Plänen zu den Anlagen Jedleseer Straße 77 in Wien 21 (1963-1965) und Ruthnergasse 56-60 in Wien 21 (1969/70) beteiligt.

Stefan Karabiberoff - Stefan Karabiberoff (1913-1977) studierte von 1942 bis 1948 Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1950 mit der 2. Staatsprüfung abschloss. Für die Gemeinde Wien entwarf er unter anderem die Wohnhausanlage Hütteldorfer Straße 252 in Wien 14 (1969-1971) und war in Arbeitsgemeinschaften an den Entwürfen zur Anlage Jedleseer Straße 77 in Wien 21 (1963-1965) und zum Karl-Wrba-Hof in Wien 10, Sahulkastraße 3-5 (1972-1982), beteiligt.

Rudolf Goder - Rudolf Goder (1901-1977) studierte von 1918 bis 1925 unter anderem bei Siegfried Theiß und Franz Krauß an der Technischen Hochschule Wien. Für die Gemeinde Wien entwarf er unter anderem das Wohnhaus Kollmayergasse 2-8 in Wien 12 (1950-1951) und zusammen mit Josef Angst den Paul-Richter-Hof in Wien 15 (Dadlergasse 1-3, 1956-1964).