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Wallensteinstraße 68-72

Fakten

Wallensteinstraße 68-72

Wallensteinstraße 68-72, 1200 Wien

Baujahr: 1957-1959

Wohnungen: 174

Architekt: Josef Wenz, Erwin Weissenböck, Joseph Zimmel

Weitere Adressen

Nordwestbahnstraße 61-69, 1200 Wien

Heistergasse 8-10, 1200 Wien

Sachsenplatz 17, 1200 Wien

Wohnen in Wien

In den 1950er-Jahren ging es vor allem darum, Zerstörtes wieder aufzubauen und viele neue Wohnungen zu errichten. In den kommunalen Wohnbauten dieser Zeit finden sich die ersten Ansätze der sich später durchsetzenden Zeilenbauweise, die bis heute die großen Vorstadtsiedlungen prägt. Die Wohnbauten wurden größer, höher und waren verstärkt in Blockform gestaltet. Das Flachdach setzte sich durch. Alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern und WC ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.

Geschichte

Historisch gesehen handelt es sich bei der "Brigitta Au" oder "Brigitten Au" um ein wasserdurchästeltes Alluvialgebiet. Also um angeschwemmtes Land, das erst nach der kulturtechnischen Bändigung der Donau in einem künstlichen Strombett für eine großstädtische Besiedlung geeignet war. Im Rahmen dieser sich über Jahrzehnte erstreckenden Maßnahme wurden von der so genannten "Donauregulierungs-Commission" Erschließungs- und Bebauungspläne erstellt. Im Plan "Die Brigittenau zum kais. königl. Polizei Bezirk Leopoldstadt", verfasst von A. Ziegler um 1850, wird die hier relevante Gegend zwar bereits als parzelliert dargestellt, die Grundstücke sind jedoch noch als Küchengärten ausgewiesen. Erst in den folgenden Jahrzehnten, während sich die Brigittenau vom Agrarland zum großstädtischen Industrie-Wohnbezirk entwickelte, wurde der endgültige Verlauf der Wallensteinstraße - und damit auch ihre Bebauung - festgeschrieben.
Aus einem Dokument aus dem Jahr 1917 geht hervor, dass zu jener Zeit das Stift Klosterneuburg Grundeigentümer der dem Gemeindebau entsprechenden Parzellen war. Die spärliche Bebauung der Pächter bestand damals in erster Linie in ein- bis zweigeschoßigen Wohn- und Werkstätten: einer Tischlerei, einer Schmiede und den "Fabriksräumen" der Firma A. Fross-Büssing.

Die Architektur

Die Wohnhausanlage umfasst vier Wohnhäuser, die freistehend um einen rechteckigen Innenhof gruppiert sind: das achtstöckige Vordergebäude an der Wallensteinstraße, die beiden langgestreckten Riegel an der Nordwestbahnstraße und an der Heistergasse mit je drei Stiegen und sechs Geschoßen; den südlichen Abschluss bildet ein 57 m langer, zweigeschoßiger Baukörper mit 18 Einzelraumwohnungen, der ursprünglich als "Heimstätte für alte Leute" konzipiert war. Während die beiden langen Wohnriegel direkt an die Straße gesetzt sind, wird das Vordergebäude durch einen 20 Meter breiten Grünstreifen vom Fahrweg abgeschottet; im Erdgeschoß befinden sich hier zwei Geschäftslokale.

Die Fenster - je nach Raumnutzung wurden zwei- oder dreiflügelige bzw. raumhohe Französische Fenster verwendet - sind glatt in die vollkommen schmucklose Fassade eingeschnitten. Hofseitig sind die Schauseiten durch den Einsatz kleiner Balkone etwas belebter gestaltet. Der kleine "Heimstätten"-Baukörper mit flacher Pultdachkonstruktion wirkt in diesem Ensemble nahezu verspielt: Beim Stiegenhaus um eineinhalb Meter versetzt, wird der langgestreckte, nicht sehr tiefe Baukörper gegliedert und dadurch optisch verkürzt. Auf der Südseite kragen jeweils gekuppelte Loggien um einen halben Meter hervor.

... und die Kunst

Der Innenhof birgt zwei Kunstwerke: die "Mutter mit zwei Kindern", eine zwei Meter hohe Plastik aus Naturstein von Rudolf Schwaiger, und die ebenfalls lebensgroße Bronzestatue "Gärtner" von Franz Fischer; beide aus dem Jahr 1958.

Der Name

Seit 1869 führt der Straßenzug den Namen Wallensteinstraße, ursprünglich schienen für einzelne Teilabschnitte der Straße die Bezeichnungen Untere Quergasse, Dammstraße und Gärtnergasse auf. Wallenstein, eigentlich Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein (1583-1634) war Herzog von Friedland und Mecklenburg, Fürst von Sagan und verfügte über den größten Grundherrnbesitz in Böhmen - Ländereien, die er durch geschickte Heirat und Spekulation akkumuliert hatte. Er war Oberbefehlshaber der kaiserlichen Streitkräfte im Dreißigjährigen Krieg, kämpfte auf Seiten des Kaisers und der Katholischen Liga gegen die protestantischen Mächte Deutschlands sowie gegen Dänemark und Schweden, fiel jedoch später in Ungnade und wurde von kaisertreuen Offizieren ermordet.

Architekten

Josef Wenz - Josef Wenz (1915-1982) begann bereits vor dem Zweiten Weltkrieg sein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Wien, musste es jedoch wegen seines Einzuges zur Wehrmacht unterbrechen. Nach seiner Rückkehr aus Stalingrad 1947 beendete er das Studium und begann als Architekt zu arbeiten, wobei er vor allem für die Bundesgebäudeverwaltung II (heute Teil der Bundesimmobiliengesellschaft) tätig war, für die er etwa Kasernenbauten in Wien Meidling und in Spratzern-St Pölten konzipierte.

Erwin Weissenböck - Erwin Weissenböck (1914-1984) studierte bis 1938 Architektur an der Höheren Technischen Staatslehranstalt in Breslau. 1941 wurde er zur deutschen Wehrmacht eingezogen und kehrte erst 1947, nach mehreren Jahren in russischer Kriegsgefangenschaft, in seine Geburtsstadt Wien zurück. Hier machte er sich als Architekt selbständig und war zeitweilig als Partner des Architekturbüros Robert Ulrich tätig. Für die Gemeinde Wien plante er gemeinsam mit Josef Wenz und Joseph Zimmel die Wohnhausanlage Wallensteinstraße 68-72 in Wien 20 (1957-1959).

Joseph Zimmel - Joseph Zimmel (1915-1984) studierte vor dem Zweiten Weltkrieg Architektur an der Technischen Hochschule Wien und Rechtswissenschaften an der Universität Wien (Dr. jur.). Nach geleistetem Kriegsdienst machte er sich als Architekt selbständig, wobei er zunächst mit Anton Siegl und später mit Josef Wenz zusammenarbeitete. Zu seinen ersten Projekten gehörten die Mitarbeit zur Planung der Donaukanal-Verbauung und das Möbeldesign für die Zweigstelle der Nationalbank in Graz. In Wien wurden nach Josef Zimmels Entwürfen unter anderem der Kindergarten und Pfarrheim der Pfarre Unter-Heiligenstadt in Wien 19 und das BRG Fichtnergasse in Wien 13 errichtet. In den Bundesländern plante er mehrere Siedlungen für die Wohngesellschaft Heimstätte, wie etwa in Lienz (T) und in Deutschlandsberg (Stmk.).