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Ketzergasse 435-437

Fakten

Ketzergasse 435-437

Ketzergasse 435-437, 1230 Wien

Baujahr: 1976-1978

Wohnungen: 23

Architekt: Alois Machatschek

Wohnen in Wien

In den 1970er-Jahren begann eine erste Sanierungswelle des Wohnungsaltbestands der Stadt Wien, um den Wohnstandard anzuheben. Zusätzlich wurden von 1972 bis 1977 rund 16.500 neue Wohnungen gebaut. Der Wohnungsmangel war beseitigt. Nun sollten sich neue Anlagen auch besser in ihre Umgebung einfügen, sich vom Straßenverkehr abwenden, öffentlich gut erreichbar und vor allem mit der nötigen Nahversorgung ausgestattet sein. Damit rückte auch ein Grundgedanke des "Roten Wien" aus den 1930er-Jahren wieder in den Mittelpunkt: Es wurde wieder Wert auf die Sozialisierung des Wohnens gelegt. 1978 wurde die Grundsteinlegung der 200.000sten Wohnung seit 1923 gefeiert.

Geschichte

Die Ketzergasse hieß hier früher Liesinger Straße. Damals stand auf dem Grundstück der heutigen Wohnhausanlage ein dreiflügeliges Wohnhaus. Das Grundstück ging nach dem Ersten Weltkrieg in den Besitz der Gemeinde über. Das Wohnhaus wurde im Jahr 1919 zu einem Haus für die Wiener Städtische Straßenbahn adaptiert. Die Station Rodaun war und ist noch immer Endstelle für die Straßenbahnlinie, die hier in einer Schleife ums Eck geführt wird und wo sich hinter der Station eine Wagenremise befindet. Die Geleise liegen entlang des Kaltenleutgebener Baches, der hier noch oberirdisch fließt, bevor er die Ketzergasse unterirdisch quert. Das zweigeschoßige Gebäude der Bahn wurde in den 1970er-Jahren abgerissen und 1979 die Bewilligung für den Neubau einer Wohnanlage mit 2 Stiegen und 25 Wohnungen erteilt. Auf das Trafohäuschen und das fast pavillonartige, ebenerdige Gebäude der Gleichrichterstation Rodaun von 1920 sowie auf den erhaltungswürdigen Baumbestand auf dem Grundstück musste Rücksicht genommen werden. Nach Aussage des Architekten Alois Machatschek war dadurch die Bebauung des Grundstücks weitgehend bestimmt. Stiege 2, das gartenseitig gelegene Gebäude, ist außerdem aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ähnlich wie die drei Bauten im Gartenbereich der nur 350 m entfernten Ketzergasse 376-382 konzipiert worden.

Die Architektur

Die Anlage besteht aus zwei Stiegen. Erstere ist eine geschlossene, aber stufig gegliederte Längsverbauung mit drei Geschoßen entlang der Ketzergasse. Die zweite Stiege ist ein kompakter zweigeschoßiger Bau über kreuzförmigem Grundriss, der hinter dem Trafohäuschen im Grünbereich des trapezförmigen Grundstücks eingebettet liegt. Bei der Straßenfassade von Stiege 1 wurde darauf geachtet, die Lärmbelästigung durch die vorbeifahrende Straßenbahn möglichst gering zu halten. Daher wurde das erste Wohngeschoß möglichst hoch angehoben, indem ein tiefer gelegtes Garagengeschoß einen hohen Gebäudesockel ausbildet. Darin sind niedrige Belüftungslichten eingeschnitten. Die Garageneinfahrt befindet sich links außen im östlichen Fassadenabschnitt. Darin wurden auch zwei Loggienachsen eingeschnitten. Die an der Unterkante abgeschrägten Loggienbrüstungen sind wie die Sockelbereiche des Gebäudes aus grobem Sichtbeton gefertigt. Die Eckloggien der zweiten Achse betonen den tiefen Rücksprung, der den Auftakt des zweiten, zurückversetzten Fassadenabschnitts bildet. In diesem liegt die vollverglaste Stiegenaufgangsachse. Sie ist durch grün lackierte Metallrahmungen rhythmisch unterteilt. Im Anschluss daran gliedern eine Loggienachse, eine schmale Fensterachse und ein breiter geschlossener Mauerabschnitt mit der Gemeindeaufschrift den zweiten Teil der Straßenfassade. Der nochmals zurückgesetzte, einachsige dritte Abschnitt reicht fast bis an die Grundstücksecke heran. Vor der Schmalseite liegt ein schmales Rasenstück, in dem ein Zugangsweg zum hofseitigen Grünbereich führt. Die Hoffassade unterscheidet sich von der Straßenfassade nur durch einen breiten Risalit an Stelle des Rücksprungs mit der Stiegenaufgangsachse. Das flache Satteldach ist mit Welleternit gedeckt. Die weit nach unten gezogene Kastendachrinne ist mit dunklen Eternitschindeln verkleidet, die auch die Giebelflächen an den Schmalseiten bis zu den Fensterstürzen des obersten Geschoßes überziehen. Stiege 2 wird über einen breiten gepflasterten Weg im Hof erreicht. Ein betonsichtiger, weit vorgezogener Wetterschutz rahmt die Portalzone mit zwei Toren. Das rechte führt zu einem Abstellraum, das linke zum zentral im Gebäude gelegenen Stiegenhaus. Dieses wird über eine Dachoberlichte erhellt. Durch den kreuzförmigen Grundriss ergeben sich symmetrisch gegliederte Fassadenansichten. Die zur Ketzergasse parallel liegenden Fassaden haben dreiachsige Mittelrisalite, die beiden anderen zweiachsige. Wie bei Stiege 1 bestimmt die Wandverkleidung mit dunklen Eternitschindeln, die bis zu den Fensterstürzen des obersten Geschoßes heruntergezogen ist, das Erscheinungsbild wesentlich mit.

Der Name

Die Ketzergasse ist die von der Triester Straße in Verlängerung der Ortsstraße abzweigende Verbindung Siebenhirten-Liesing-Rodaun und entsprechend dem Altstraßenverlauf ein vielfach gekrümmter Straßenzug. Der letzte Abschnitt ist die ehemalige Hauptstraße von Rodaun.

Architekten

Alois Machatschek - Alois Machatschek (geb. 1928) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1961 auch promovierte. Für die Gemeinde Wien war er unter anderem an der Planung zum Arthur-Schnitzler-Hof in Wien, Döblinger Hauptstraße 1 in Wien 19 (1959/60), beteiligt. Bedeutung erlangte Alois Machatschek aber vor allem durch den Umbau und die Restaurierung zahlreicher historischer Bauten. Gemeinsam mit Wilfried Schermann erneuerte er etwa das bedeutende Barockpalais Caprara/Geymüller in Wien 1, Wallnerstraße 8 (1986-1988), und das Palais Ferstel in Wien 1, Freyung 2 (1978-1986).