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Ketzergasse 42

Fakten

Ketzergasse 42

Ketzergasse 42, 1230 Wien

Baujahr: 1949-1950

Wohnungen: 38

Architekt: Eduard F. Sekler

Weitere Adressen

Ketzergasse 42a, 1230 Wien

Wohnen in Wien

Ab 1949 war der Wohnbau zahlenmäßig wieder auf dem Niveau des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit. Doch noch war die Bevölkerung verarmt und oft obdachlos. Kleine Duplex-Wohnungen, die später zusammengelegt werden konnten, linderten schließlich die Wohnungsnot. 1951 wurde Franz Jonas, Sohn einer Arbeiterfamilie, Bürgermeister von Wien. In seine Amtszeit fiel die rege Bautätigkeit im Rahmen des Projektes "Sozialer Städtebau" ab 1952. Das 8-Punkte-Programm hatte die Trennung von Wohn- und Gewerbebereichen, eine Auflockerung der Wohnbereiche sowie die Assanierung einzelner Viertel zum Ziel. Die standardmäßige Ausstattung der Wohnungen wurde verbessert - alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.

Geschichte

Die Erbauung eines eigenen Schulhauses in Siebenhirten an der Stelle Ketzergasse 42 fällt in die Jahre 1797/98 (wahrscheinlich infolge des Hofdekrets Maria Theresias "Allgemeines Schulordnungsgesetz 1774"). Im Jahr 1855 wurde allerdings unter dem Bürgermeister Josef Kraup an der Ecke Ketzergasse/Dr.-Hanswenzl-Gasse (gegenüber dem Gasthaus "Kellner") ein neues Schulhaus mit zwei Klassen errichtet. Als diese Schule wieder zu klein war und den gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr entsprach, wurde im Jahr 1884 unter dem Bürgermeister Josef Weichselbaum erneut an der Stelle Ketzergasse 42 ein einstöckiges Schulhaus mit vier Klassen erbaut und 1885 bezogen. Wegen ständig steigender Schülerzahlen wurde das Schulgebäude 1896 um zwei Klassen erweitert und 1903 sogar ein zweites Stockwerk aufgesetzt. 1911 wurde die sechsklassige Volksschule in eine fünfklassige Knaben- und eine fünfklassige Mädchenvolksschule unter gemeinsamer Leitung umgewandelt. Die unter dem Bürgermeister und Arzt Dr. Karl Hanswenzl erbaute Mädchenvolksschule wurde 1915 kollaudiert und bezogen. Sie stand hinter der Knabenvolksschule und war mit einem Turnsaal ausgestattet. Im Schulgarten befand sich ein landwirtschaftliches Versuchsfeld, es wurden Blumen, Gemüse, Obstbäume und Reben gezogen. Zur Bearbeitung und Pflege wurden Kinder der obersten Schulstufen eingesetzt.
Infolge des andauernden Rückganges der Kinderzahl wurden mit Beginn des Schuljahres 1929/30 alle Klassen wieder in der Knabenschule untergebracht. Die Mädchenschule wurde - mit Ausnahme des Turnsaales - wegen der herrschenden Wohnungsnot für Wohnzwecke adaptiert. Bei Bombenangriffen auf Siebenhirten 1944 wurde die Mädchenschule vollkommen zerstört und die Knabenschule so schwer beschädigt, dass sie für Unterrichtszwecke nicht mehr verwendbar war. Die Gemeinde Wien errichtete auf dem Areal zwei Wohnbauten mit insgesamt fünf Stiegen.

Die Architektur

Die Wohnhausanlage besteht aus zwei parallel zueinander liegenden dreigeschoßigen Gebäuden mit einem Gartenhof dazwischen. Das Vordergebäude an der Ketzergasse ist zu drei Viertel seiner Länge etwas von der Baulinie zurückversetzt. Das freistehende Hintergebäude ist etwas kürzer. Dieses ist sowohl vom Hof her als auch von einer Stichstraße im Norden zugänglich. Das westliche Viertel des Vordergebäudes steht an der Baulinie, im Erdgeschoß befinden sich zwei Geschäfte.

Am Beginn des zurückversetzten Gebäudeteils ist eine hochrechteckige Durchfahrt eingeschnitten, die in den Gartenhof führt. Darüber ist ein großes Supraportenrelief angebracht, das sieben Hirten zeigt als bildlichen Hinweis auf den ehemaligen Ortsnamen. Die langgezogene Fassade des zurückgesetzten Gebäudeteils ist symmetrisch aufgebaut und wird durch zwei- und dreiflügelige Fensterachsen rhythmisiert. Zwei Gaupen beleben die Dachlandschaft. Hofseitig ist das über der Durchfahrt vorkragende Gebäudeeck durch einen freistehenden, profilierten Eckpfeiler abgestützt. Die gesamte Hoffassade hat drei Stiegenaufgänge, deren Eingänge durch Flugdächer mit seitlichen Windfängen aus Beton geschützt sind. Der erste Eingang liegt im kurzen zurückgesetzten Westteil, die beiden nächsten in zwei seichten Stiegenhausrisaliten des langen Traktteiles. Die beiden Risalite mit Satteldach durchbrechen mit ihren Dreiecksgiebeln die Dachlinie. Die Achsen dazwischen zeigen ein rhythmisches Spiel mit drei- und zweiflügeligen Fenstern, wie es auch für das Hintergebäude charakteristisch ist. An dessen Nordseite sind ebenfalls zwei seichte, übergiebelte Stiegenhausrisalite angeordnet. Zwei kurze Aufgangstreppen führen hier von der tiefer gelegenen Stichstraße auf das Niveau der Eingänge.

... und die Kunst

Über der Durchfahrt in den Hof ist ein nur leicht abstrahiertes Relief der "Sieben Hirten" von Wander Bertoni angebracht.

Der Name

Die Ketzergasse heißt seit 1954 nach Josef Ketzer (1869 bis 1944), der 1918 bis 1928 Bürgermeister von Siebenhirten war. Vorher hieß sie seit 1947 Siebenhirtener Hauptstraße und davor seit 1938 Adolf-Hitler-Straße. Die Ketzergasse ist die von der Triester Straße in Verlängerung der (Vösendorfer) Ortstraße abzweigende Verbindung Siebenhirten - Liesing - Rodaun.

Architekten

Eduard F. Sekler - Eduard F. Sekler (geb. 1920) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien und Architekturgeschichte am Warburg Institute der Universität London, wo er 1948 promovierte. Bereits ab 1945 war er als freiberuflicher Architekt in Wien tätig und als solcher an der Assanierung von Alt-Erdberg beteiligt. 1955 wurde er an die Harvard University in Cambridge berufen, wo er bis zu seiner Pensionierung 1991 als Professor an der Graduate School of Architecture lehrte. Sekler publizierte bedeutende Bücher zum Werk von Le Corbusier, Josef Hoffmann und Christopher Wren. Außerdem war er in der UNESCO-Kommission für Denkmalpflege tätig.