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Wattgasse 96-98

Fakten

Wattgasse 96-98

Wattgasse 96-98, 1170 Wien

Baujahr: 1929-1930

Wohnungen: 258

Architekt: Emmerich Spielmann, Alfred Teller

Weitere Adressen

Roggendorfgasse 1-5, 1170 Wien

Rhigasgasse 2-10, 1170 Wien

Comeniusgasse 5, 1170 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Zwischen 1908 und 1912 wurden die Bauparzellen einzeln durch die Gemeinde Wien erworben und schließlich zusammengezogen. Als nördlicher Abschluss einer gründerzeitlichen Blockverbauung wurde die heutige Wohnanlage geplant. Durch den Neubau 1929 und die Umverteilung der Parzellen entstand eine neue Gasse, die Rhigasgasse. In der großen neuen Anlage sollten von Beginn an auch soziale Einrichtungen ihren Platz finden, so befand sich hier z. B. eine Tuberkulosefürsorge. Auch heute sind zahlreiche gemeinnützige Institutionen in den Gebäuden untergebracht. Die Qualität des Wohnens wurde durch zahlreiche Umbauten der Wohnungen und den Einbau von Sanitäranlagen und Aufzügen kontinuierlich verbessert.

Die Architektur

Die fünfgeschoßige Anlage wurde in Form von drei aufwändigst gestalteten und bepflanzten Straßenhöfen geplant. Die Höfe sind gestaffelt, nach Süden hin offen und werden Richtung Osten immer kleiner. Stiegenanlagen verbinden die Höfe untereinander. Der fünfeckige Bauplatz schließt sich in Richtung Norden mit einer durchgängigen Platzwand, der nördlichste Rest ist begrünt und bildet einen Übergang zu den nahe gelegenen Sportplätzen. An den Süd-, Ost- und Westfassaden gibt es Balkone und Erker, die unregelmäßig über die Stockwerke verteilt sind. Eine romantisch anmutende Architektur mit aufwändig gestalteten Dachlandschaften prägt alle Ansichten der Anlage. Zusätzlich ließ eine Auseinandersetzung mit dem ausklingenden Secessionismus die beiden Architekten interessante Formen finden. Die einzelnen Bauelemente sind blockhaft und erinnern an Module, die locker verschoben werden könnten. Die Architekten Emmerich Spielmann und Alfred Teller hatten eine Bürogemeinschaft, die in Wien sehr geachtet war. Aus dieser Kooperation entstanden meist eher konservative Gebäude, die Wohnanlage in der Wattgasse 96-98 zeugt aber von einem sehr kreativen Potenzial in Bezug auf den Umgang mit architektonischen Traditionen.

... und die Kunst

An der Außenwand in der Rhigasgasse befindet sich das Keramikrelief eines unbekannten Künstlers (um 1930). Das hochrechteckige, halbrund-plastische Relief wurde aus mehreren Teilen zusammengesetzt. Es stellt eine Familie mit drei Kindern dar. Durch den bemerkenswerten Pathos der Körpergebärden gelang es dem Künstler die familiäre Verbundenheit der Dargestellten auszudrücken. Die politische Bildersprache des Tonreliefs ist an anderen Darstellungen aus derselben Epoche orientiert.

Der Name

Die Wattgasse wurde 1884 nach dem englischen Erfinder der Niederdruckdampfmaschine James Watt (1736 bis 1819) benannt. Watt gründete gemeinsam mit dem Unternehmer Boulton die Dampfmaschinenfabrik Boulton & Watt bei Birmingham. Von dort aus wurde die Dampfmaschine in die ganze Welt verbreitet und trug als ein wesentlicher Faktor zur Industrialisierung und dem Beginn des Industriezeitalters bei.
Die Rhigasgasse entstand durch den Bau der Wohnanlage und wurde 1930 nach dem griechischen Freiheitsdichter Konstantinos Rhigas-Pheräos (1754-1796) benannt.

Architekten

Emmerich Spielmann - Emmerich Spielmann (1873-?) studierte er an der Technischen Hochschule Wien bei Karl König und Karl Mayreder. Bereits während seines Studiums sammelte er Berufserfahrung in verschiedenen Architekturbüros, wie etwa bei Friedrich Ohmann. 1908 gründete Spielmann mit Alfred Teller eine erfolgreiche und dauerhafte Arbeitsgemeinschaft, in der zahlreiche Geschäfts- und Miethäuser sowie Fabriken entstanden. Zu ihren bedeutendsten Bauwerken zählen der Tuchlauben-Hof (1912/13) und die Villa König (Pötzleinsdorfer Straße 56, Wien 18, 1912). Ihre einzige kommunale Wohnanlage wurde 1929 in der Wattgasse 96-98 (Wien 17) errichtet. 1939 emigrierte Spielmann nach England, wo sich seine Spuren verlieren.

Alfred Teller - Alfred Teller (1881-?) studierte bis 1903 an der Technischen Hochschule Wien bei Karl König und Karl Mayreder. Nach seinem Studium arbeitete er in den Büros von Arnold Hatschek und Ernst Gotthilf. 1908 gründete er eine Bürogemeinschaft mit Emmerich Spielmann. Bis 1914 entstanden vor allem Wohnbauten und Fabriksanlagen nach ihren Entwürfen. Nach dem Ersten Weltkrieg blieben die großen Aufträge allerdings aus. 1938 emigrierte Teller in die USA, wo sich seine Spuren verlieren.