Mobile Version aus nicht mehr nachfragen

Pernerstorfer-Hof

Fakten

Pernerstorfer-Hof

Troststraße 68-70, 1100 Wien

Baujahr: 1924-1926

Wohnungen: 427

Architekt: Camillo Fritz Discher, Paul Gütl

Weitere Adressen

Herzgasse 86-90, 1100 Wien

Neilreichgasse 63-71, 1100 Wien

Hardtmuthgasse 77-81, 1100 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Die Architekten Discher und Gütl erhielten 1924 den Auftrag zur Planung eines Volkswohnhauses an der bis dahin nur locker verbauten Troststraße. An dieser gerade verlaufenden Straße, die als wichtige West-Ost-Achse durch den Bezirk Favoriten führt, entstanden gleichzeitig drei großen Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien (Van-der-Nüll-Gasse 82-86, Troststraße 64-66 und 68-70). Beide Architekten haben bei Otto Wagner studiert und gemeinsam mehrere Wohnhausanlagen für das Wiener Stadtbauamt entworfen, von denen der Pernerstorfer-Hof der älteste ist.

Der um drei Innenhöfe gruppierte Bau an der Troststraße entsprach der in der Zwischenkriegszeit maßgeblichen Idee vom Wohnpalast ("Superblock") für die arbeitende Bevölkerung. Mit einer Zentralwaschküche, einem Kindertagesheim, mehreren Werkstätten sowie einem Büro für die eigenständige Hausverwaltung entstand hier an der Endstelle der Straßenbahnlinie 66 zwischen 1925 und 1926 ein moderner, später der Kategorie "Superblock" zugeordneter Bau.

1953 wurden in den Stiegen 13-26 insgesamt 30 neue Wohneinheiten durch Dachausbauten dazugewonnen (Arch. Joseph Zimmel, Oskar Payer). Damals entstand auch das monumentale Wandbild über dem Haupteingang.

Die Architektur

Das Volkswohnheim wurde zwischen 1924 und 1926 auf bis dahin weitgehend unverbautem Terrain an der Troststraße, begrenzt von Herzgasse, Hardtmuthgasse und Neilreichgasse, errichtet. Drei in der Herzgasse bereits bestehende Wohnhäuser wurden in den streng symmetrischen Bauplan einbezogen. Der mächtige, sechsgeschoßige Ziegelbau mit insgesamt 26 Stiegen entstand in Blockrandbebauung um einen rechteckigen Hof und mit einem T-förmigen Innenflügel. Dadurch werden drei Gartenhöfe ausgebildet, von denen der größte einen Kindertageshort mit Spielplatz beherbergt. Die Höfe sind durch überbaute Durchfahrten miteinander verbunden.

Beeindruckend ist die reiche Gliederung durch Erkervorsprünge, spitze Giebelaufbauten, Loggien und Balkone sowie Horizontalprofile am ersten und am letzten Geschoß. Im etwas zurückversetzten Bauteil an der Troststraße dominiert eine mittige, monumentale Einfahrt mit Giebel und Rundbogenportal die Fassade. Hier wurde 1953 über der mit einem Klinkerband verzierten Toröffnung ein monumentales Sgraffito angebracht, das auf die für den Bezirk äußerst wichtige Ziegelherstellung Bezug nimmt. Der Eingang in der Hardtmuthgasse ist wesentlich einfacher gestaltet. Qualitätsvolle Baudetails wie variierende Fensterformen, schmiedeeiserne und grob behauene Bossensteine für Sockel und Kellerfenster prägen den Gesamteindruck.

Im großen Innenhof befindet sich vor dem Kindertagesheim ein segmentbogenförmiger, vertieft angelegter und umzäunter Spielplatz mit einer figuralen Brunnenanlage. Die Flächen der Innenhöfe sind begrünt und als Ruhezonen gestaltet.

... und die Kunst

Bauzeitliche schmiedeeiserne Torgitter zieren das Eingangstor in der Troststraße. Über dem Portal befindet sich ein großes Wandbild in Sgraffitotechnik von Heribert Potutznik mit dem Titel "Ziegelarbeiter". Im Hof steht vor der Spielterrasse beim Kindertagesheim ein Trinkbrunnen. Dort befindet sich auch die monumentale Skulpturengruppe "Zuflucht" von Joseph Josephu. Sie zeigt eine Mutter mit zwei Kindern in der christlichen Darstellungstradition der Caritas.

Der Name

Der Pernerstorfer-Hof wurde nach dem sozialdemokratischen Wiener Journalisten Engelbert Pernerstorfer (1850-1918) benannt. Er war Mitbegründer der Freien Volksbühne und Herausgeber der kulturpolitischen Zeitschrift "Der Strom".

Die Troststraße ist seit 1894 nach dem Fleischhauer und Hausbesitzer Martin Trost (1831-1893) benannt. Der gebürtige Bayer gehörte der Liberalen Partei an und war einer der ersten Wiener Gemeinderäte aus Favoriten (1873-1893) sowie Vorsitzender des Favoritner Ortsschulrates.

Architekten

Camillo Fritz Discher - Camillo Fritz Discher (1884-1976) absolvierte nach dem Besuch der Staatsgewerbeschule die Meisterklasse bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Ab 1925 errichtete er - zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen Wagner-Schülern - Wohnhausanlagen für die Stadt Wien, unter anderem die Wohnhausanlage "Indianerhof" in der Aichholzgasse 52-54 in Wien 12 und jene in der Wienerbergstraße 16-20 in Wien 10.

Paul Gütl - Paul Gütl (1875-1944) studierte bis 1902 an der Akademie der bildenden Künste unter anderem bei Otto Wagner. Eines seiner ersten Werke ist das Rathaus in Spital am Semmering (1906/07). Ab 1925 errichtete er, zunächst zusammen mit Camillo Discher, mehrere Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien. Diese gemeinsamen Arbeiten zeigen noch romantisierende, expressionistische Formen, während Gütl später einen zunehmend sachlichen Stil entwickelte.